Romanverfilmung "Suite francaise"

Eine Liebesgeschichte, die ein Tabu bricht, und zwar eine Liebesgeschichte zwischen einem deutschen Soldaten und einer verheirateten jungen Französin während der deutschen Besatzung Frankreichs 1940. Der Film basiert auf dem unvollendeten, gleichnamigen Roman von Irene Nemirovsky.

Kulturjournal, 15.1.2016

"Suite francaise" basiert auf einem unvollendeten fünfteiligen Romanzyklus von Irene Nemirovsky. Die Autorin starb 1942 in Auschwitz. Ihre Tochter glaubte lange, die geretteten Manuskripte seien Tagebücher, und so wurde der Roman erst 2004 publiziert und prompt ein Bestseller, der mit dem Literaturpreis Prix Renaudot ausgezeichnet wurde. Nun adaptierte der Brite Saul Dibb, bekannt für seinen Oscar-nominierten Film "Die Herzogin", mit Matt Charman den zweiten Teil des Romanzyklus für das Kino.

Frankreich, Sommer 1940. Nach den ersten Bombardements von Paris fliehen die Einwohner aus der Hauptstadt, und der Flüchtlingsstrom erreicht auch die Kleinstadt Bussy. Gleichzeitig trifft auch ein deutsches Regiment ein. Viele Bewohner müssen Soldaten bei sich aufnehmen, so auch die Gutsbesitzer-Familie Angellier in ihrer noblen Villa. Bald fühlt sich die junge Lucile, deren Mann an der Front ist, vom attraktiven, Klavier spielenden deutschen Offizier Bruno von Falk angezogen, zumal sie unter ihrer despotischen Schwiegermutter leidet.

Regisseur Saul Dibb über die Aktualität des Filmstoffes: "Es ist eine brillant erzählte Geschichte aus der Sicht der Zivilbevölkerung, vor allem der Frauen. Das ist ein Blickwinkel, den man kaum in Kriegsfilmen findet. Dann diese Geschichte, dass deutsche Soldaten in die Häuser der Einwohner einziehen. Und schließlich diese Liebesgeschichte zwischen einer jungen Französin und einem deutschen Soldaten. Dazu kommen auch die Umstände, wie das Buch erschienen ist, die wie ein Vergrößerungsglas wirken."

Matthias Schoenhaerts als Offizier Bruno

Der Offizier Bruno von Falk, gespielt von Matthias Schoenhaerts - bekannt u.a. aus Jacques Audiards "Der Geschmack von Rost und Knochen" - entpuppt sich als höflicher, musischer Mensch, der durch den Krieg aus seinem kultivierten Umfeld gerissen wurde. Und das weckt das Interesse von Lucile alias Michelle Williams. Gegenpol der beiden ist die strenge Schwiegermutter, gespielt von Kristin Scott Thomas, die kompromisslos die Deutschen hasst, und ihre Schwiegertochter verachtet. Auch in schweren Zeiten treibt sie bei den Bauern gnadenlos die Pacht ein, und ist dementsprechend verhasst im Ort.

Es ist ein bunter Mikrokosmos, wo trotz Krieges und Besatzung jeder seinen Interessen folgt, man arrangiert sich, begleicht alte Rechnungen, es wird kollaboriert, bestochen, und denunziert, aber auch Widerstand geleistet. Bei den Besatzern gibt es Fieslinge, aber auch anständige, zumindest korrekte Typen, und wenn sich die jungen Soldaten am Dorfbrunnen waschen, so kann das - Feind hin Feind her - durchaus das Interesse eines Teils der weiblichen Bevölkerung wecken. Regisseur Saul Dibb: "Wir haben versucht, ein Schwarz-Weiß-Porträt der Menschen zu vermeiden, wie das in Kriegsfilmen oft vorkommt. Wenn es eine Botschaft gibt, dann in der Komplexität, in den Graustufen."

Aufwendig wurde inszeniert - es wurde in Belgien an realen Orten gedreht, um möglichst authentisch zu sein. Kostüme, Frisuren und Accessoires wurden peinlichst genau recherchiert und arrangiert. Dazu kam ein Staraufgebot von Schauspielern. Und trotzdem kann letztlich der Film nicht wirklich überzeugen: Die Geschichte wird zu konventionell erzählt; vielleicht schielte der Regisseur - wie es ein Kritiker formulierte - zu viel in Richtung Oscars. Und vielleicht ist das auch der Preis von gutdotierten internationalen Großproduktionen; hier eine britisch-belgisch-kanadisch-französische Koproduktion, die sich auch in einem babylonischen Sprachengewirr der Akteure wiederfindet. Das wird in der deutschen Synchronfassung zwar vereinfacht, allerdings um den Preis der Authentizität.

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