Neuer Roman von Martin Walser

Er veröffentlicht fast jedes Jahr ein Buch und wurde mit zahllosen Auszeichnungen geehrt, darunter dem "Friedenspreis des deutschen Buchhandels": Martin Walser, der Doyen der deutschen Literatur wird im März 89 Jahre alt. In seinem neuen Roman "Ein sterbender Mann" nimmt Walser einen Verrat zum Anlass, um über Freundschaft, Liebe, Alter und Tod zu reflektieren.

Morgenjournal, 26.1.2016

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Martin Walser, "Ein sterbender Mann", Rowohlt

Gerne sterben, gerne leben

"Es ist richtig, dass er in seinem Zustand gern sterben würde. Genauso richtig ist, dass er gern leben würde", sagt Theo Schadt, die Hauptfigur von Martin Walsers neuem Roman, über sich selbst. Schadt, Anfang siebzig, gescheiterter Unternehmer und Autor von Ratgebern, erlebt schwere Zeiten. Sein bester Freund hatte ihn verraten und damit den Ruin seiner Firma verursacht, ein Arzt diagnostizierte einen bösartigen Tumor. Nun meldet sich Schadt bei einem Suizidforum im Internet an.

"Was soll der Theo Schadt tun? Er glaubt nicht mehr leben zu können. Dann hat er eine frühere Bekannte, die sich umgebracht hat, von der hat er gehört das Wort 'Suizidforum'. Also loggt er sich ein bei diesem Suizidforum. Und daraus entwickelt sich das alles", erklärt der Autor.

"Sieger machen keine Erfahrung"

Martin Walser hat seit jeher ein Faible für Gescheiterte, für Anti-Helden und Verlierer. "Sieger machen keine Erfahrung. Eine Erfahrung macht man nur als Verlierer", schreibt er. Doch sein Roman handelt nicht nur von Verlusten, von Alter, Gekränktsein und Lebensmüdigkeit. Sondern auch von Lebensbejahung - und Liebe. Wie ein Blitz überfällt diese seinen Protagonisten Theo Schadt - und macht aus ihm einen schwärmerischen Autor von Briefen, adressiert an eine Tangotänzerin mit maghrebinischen Wurzeln.

"Das Wichtige ist in dem Buch, dass die beiden sich sprachlich austauschen und dass dieser Sprachaustausch zu jeder Liebesqualität führt, die zwischen Menschen überhaupt denkbar ist", sagt Walser, "Obwohl sie sich dann nicht mehr sehen."

Geschliffen formulierte Reflexionen

Martin Walser packt vieles in dieses als Briefroman konzipierte Buch über Euphorie und Enttäuschung, Liebessehnsucht und Todeswunsch: Pointierte, geschliffen formulierte Reflexionen über Alter, Schönheit und Verrat stehen neben Traumprotokollen, einem Reisebericht oder einer Parodie auf den Literaturbetrieb. Da gibt es Wortschöpfungen wie "Zuneigungsvorrat", "Illusionsbewirtschaftung" oder "Trostlosigkeitsglanz", "Retourkutschenspaß" und "Politikmasturbation". Martin Walser - ein sprachverliebter Autor.

"Ein nicht ganz einfacher Roman"

"Schreiben heißt, etwas so schön zu sagen, wie es nicht ist. Das ist die ganze Funktion. Die Literatur erklärt die Welt nicht, sondern verklärt sie. Und das hat sie mit der Religion gemeinsam." - "Ein Roman ist immer ein Selbstporträt. Aber eben als Roman", sagt Martin Walser, der sich früher einmal einen "literarischen Experten für "Identitätsbeschädigung" nannte. Sein jüngstes Werk, "Ein sterbender Mann", hält er für einen "nicht ganz einfachen" Roman. Umso mehr freut sich der Autor über die überwiegend begeisterte Kritik.

"Ich bin wirklich überrascht ... Das hat mich eigentlich eingegliedert in die menschliche Gesellschaft, wie ich mich noch nie gefühlt habe. Ich schreibe einen Roman aus einer großen Schwierigkeit, und dafür gibt es keine Formel und keine Routine, da gibt es nur das Schreibabenteuer als solches."

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