Kroatische Künstler protestieren

Mit Kundgebungen und künstlerischen Mitteln protestieren die Künstlerinnen gegen einen zunehmend autoritären, nationalistischen Kurs der Regierung. Sie tun dies mit witzigen, provokanten Aktionen. Es geht ihnen nicht nur um Engagement gegen etwas, sondern auch für Neues.

Demonstration in Zagreb

AFP/STR

Kulturjournal, 5.2.2016

Mirko Schwanitz und Bojana Radetic

Seit Tagen versammeln sich Bürger, Intellektuelle und Künstler, um vor dem Regierungssitz in Zagreb zu demonstrieren. Ausgelöst wurde der öffentliche Widerstand durch Äußerungen von Ministern, die nahelegen, dass Kroatiens Regierung zur nationalistischen Politik der 1990er Jahre zurückkehren will.

"Register für Staatsverräter" löste Proteste aus

Nach nur einer Woche im Amt, musste der für Kriegsveteranen zuständige Minister, Mijo Crnoja zurücktreten. Er hatte als erste Amtshandlung angekündigt, ein Register für Staatsverräter anlegen zu lassen. Die prompte und kreative Reaktion vieler namhafter Künstler kam für die Regierung völlig überraschend.

"Wir haben eine Online-Plattform freigeschaltet, auf der sich die Bürger selbst in einem Register als Verräter bezichtigen können", berichtet Nora Krstulovic. "Bereits in den ersten Tagen haben sich mehr als 7.000 Menschen eingetragen. Und viele haben Kommentare hinterlassen, welches politische System sie sich in unserem Land wünschen. Alle diese Wünsche stehen in krassen Gegensatz zu dem politischen System, das wir zurzeit haben."

"Sie verstehen nicht, wie eine Demokratie funktioniert"

Nora Krstulovic gehört mit ihrem Künstlerkollektiv Skroz zu den Initiatorinnen der Proteste. Wenn sie nicht bei den Demonstranten ist, probt sie mit ihrer Truppe im Jugendtheater von Zagreb für ihre nächsten Auftritte. Politisch sollen sie sein und provozieren. "Man muss mit politischen und künstlerischen Aktionen reagieren; wir haben die Verantwortung, uns mit konkreten Aktionen gegen diese revisionistische Politik zu wehren", erklärt die Aktivistin.

Jetzt richten sich die Proteste vor allem gegen den neuen Kulturminister, Zlatko Hasanbegovic. Der sieht sein Land in einer Linie mit der faschistischen kroatischen Marionettenrepublik im Zweiten Weltkrieg und leugnet das antifaschistische Erbe der Tito-Partisanen. Dass man ihm dafür, als Symbol für die verstorbene Kultur, einen Sarg vor seine Amtsräume stellte, findet die bekannte Schriftstellerin Ivana Simic-Bodrozic nur folgerichtig: "Diese Politiker verstehen nicht, wie eine demokratische Gesellschaft funktioniert. Sie haben weder soziale noch intellektuelle Kapazitäten, dass zu begreifen. Wir brauchen dringend den Widerstand der Bürger, um zu verhindern, dass solche Menschen, den gesamten öffentlichen Raum besetzen."

An Kulturminister Hasanbegovic scheint derartige Kritik abzuperlen. Unbeeindruckt von den Protesten löste er jetzt den Rat für unabhängige Medien auf und verlangte vom öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, in Zukunft mehr patriotische Filme auszustrahlen.

Das Künstlerkollektiv Skroz arbeitet derweil bereits an seinem neuesten Stück. Das Skript schreiben die Bürger mit ihren Eintragungen ins "Verräter-Register" selbst. Nora Krstulovic: "Natürlich sind viele schon müde, dass wir immer wieder von vorn beginnen müssen. Aber wir sind selbst schuld, denn wir haben viel zu oft ‚gegen‘ jemanden gewählt, statt uns ‚für‘ etwas zu entscheiden. Wir müssen endlich selbst bestimmen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen, was im öffentlichen Interesse ist und das auch durchsetzen. Ohne Rücksicht darauf, wer gerade an der Macht ist."

Service

skroz