"The Lobster": Gefangen im Singleressort

Der erste englischsprachige Film des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos heißt "The Lobster". In Irland gedreht, mit Colin Farrell, Rachel Weisz und John C. Reilly in den Hauptrollen, erzählt er eine der wohl skurrilsten Liebesgeschichten des Kinojahres.

Lanthimos ist einer jener griechischen Regisseure, die in den letzten Jahren der Krise zum Trotz, mit geringen Budgets eine ganz eigene Filmsprache entwickelt und damit international für Aufsehen gesorgt haben. "The Lobster" wurde in Cannes 2015 mit dem Preis der Jury ausgezeichnet.

Morgenjournal, 10.2.2016

"Mit einem Realismus erzählt, der verstört, fasziniert und berührt"

Zugelassen sind nur Paare

Hund oder Esel oder vielleicht doch Hängebauchschwein? In Yorgos Lanthimos dystopischer Zukunft müssen Menschen als Paare leben. Wer zu lange Single ist, kommt in ein abgelegenes hotelähnliches Ressort. Dort hat er 45 Tage Zeit, einen passenden Partner zu finden - sonst wird er in ein Tier seiner Wahl verwandelt. David, gespielt von Collin Farrell entscheidet sich für einen Hummer. Der lebt lange, sein Sexualtrieb lässt nicht nach. Eine ungewöhnliche und gute Entscheidung, wie ihm vom Management attestiert wird.

"Einzigartigste Drehbuch, das ich je gelesen habe"

Es ist eine Versuchsanordnung, in der Yorgos Lanthimos Konzepte von Liebe und Partnerschaft, in einem skurrilen Szenario auf die Spitze treibt, seine Fiktion aber mit einem Realismus erzählt, der zugleich verstört, fasziniert und berührt. Zutiefst bewegend habe er schon das Skript gefunden, so Hauptdarsteller Collin Farrell, frei von Konventionen, an die er sich als Schauspieler über die Jahre habe gewöhnen müssen: "Es war das wohl einzigartigste Drehbuch, das ich je gelesen habe - das ich auch nicht ganz verstanden habe, und ehrlich gesagt, weiß ich bis heute nicht, ob ich es wirklich verstanden habe."

"Urteilen soll das Publikum"

Der Countdown zur Umwandlung läuft. In "The Lobster" denkt Lanthimos jene Parameter weiter, anhand der Partnerbörsen ihre Kunden vermitteln. Denn es braucht zumindest einen gemeinsamen Nenner, dass man im Straflager für Singles zum Paar werden kann. Das kann Kaltherzigkeit, Kurzsichtigkeit oder auch spontanes Nasebluten sein. Lanthimos überlässt dabei jegliche Interpretation seinem Publikum: "Wir machen uns nicht darüber lustig, wie das Idealbild von Partnerschaft und Kleinfamilie in unserer Gesellschaft aussieht, wie Partnerschaft oder Singledasein bewertet werden. Aber wir wollen Fragen aufwerfen und auch hinterfragen, wie wir unser Leben organisiert haben."

Ein beeindruckendes Rätsel

Die Regeln im Singleressort sind streng. Masturbation ist verboten, wer flieht, auf den wird mit Betäubungsgewehren Jagd gemacht. Jene, denen die Flucht gelungen ist, leben streunend im Wald. Und zu diesen "Loners", bei denen jede Art von Zweisamkeit verboten ist, stößt irgendwann auch David. Der Film wird dann noch einmal radikaler und Lanthimos stellt die Frage in den Raum, was unerträglicher ist: Gefühle vorzutäuschen, oder zu leugnen. Lieben zu müssen, oder nicht lieben zu dürfen. Am Ende ist "The Lobster" ein beeindruckendes Rätsel, das man gar nicht ganz entschlüsseln möchte; und die Frage bleibt, ob der Schuss auf einen Esel zu Beginn des Films, vielleicht die Rache einer betrogenen Ehefrau war.