Die Kunst der Improvisation
gehört gespielt: Der Ö1 Musikabend
Wo Gabriela Montero Klavier spielt, findet stets das Besondere statt: Gemeinsam mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter der Leitung von Dirigent Karsten Januschke eröffnete sie einen launig-verspielten Musikabend und improvisierte auf Zuruf aus dem Publikum. Nach der Pause übernahmen Benjamin Schmid, Georg Breinschmid und Stian Carstensen. Ihr Repertoire kennt nur ein wesentliches Kriterium: Es muss gute Musik sein, über die es sich zu improvisieren lohnt.
18. April 2016, 12:08
Improvisation ist nicht eine Erfindung des Jazz, und auch nicht des 20. Jahrhunderts. Seit es Musik gibt, wird improvisiert. Das Musikfest zum 20. Geburtstag des Ö1 Clubs feierte die Kunst der Improvisation auf unterschiedliche Weise. So wirkte mit dem ORF RSO Wien ein Orchester mit, dessen Mitglieder, auch durch ihre intensive Beschäftigung mit zeitgenössischer Musik, mit dem spontanen Musizieren und dem persönlichen sich-Einbringen sehr vertraut sind.
An diesem Abend stellte sich unser Orchester freilich ganz in den Dienst von W. A. Mozart. Dieser selbst war für seine Improvisations-Künste bekannt. Wenn es in einem Konzert an die Kadenz ging, jenen charakteristischen Moment gegen Ende eines Satzes, da das Orchester erwartungsvoll innehält, spielte Mozart aus dem Augenblick heraus. Dies war üblich und wurde von allen Solisten erwartet.
Neben Mozarts Konzert KV 467, spielte Gabriela auch ihre eigenen Kadenzen. Am Klavier zu sitzen und zu improvisieren war ihre ureigene Welt in der Kindheit, erzählt die 1970 in Caracas geborene Montero. Der Herausforderung, als Wunderkind zu bestehen (ab dem fümften Lebensjahr spielte sie öffentliche Konzerte), setzte das Mädchen Gabriela einen privaten Kontrapunkt, eben daheim am Klavier, ohne Publikum, ohne Noten. Dann folgten Jahre des Unterrichts, in dem für Improvisation nicht viel Platz war.
Erst mit Ende zwanzig wagte sich die mittlerweile international bekannte Pianistin wieder an das "Komponieren im Augenblick" heran. Seither wird die Montero mindestens so oft zu Improvisations-Konzerten wie "herkömmlichen" Auftritten in aller Welt eingeladen. Beim Ö1 Club Festival bot sie nach dem Mozart-Konzert in unvergleichlicher Art Zugaben, auf "Zuruf" des Publikums reagierend und improvisierend.
Improvisierte Klassik
So ergab sich auf schönste Art die gedankliche Brücke zum zweiten Teil dieses Abends: Der Geiger Benjamin Schmid und der Kontrabassist Georg Breinschmid erlernten ihre Instrumente in klassischer Ausbildung. Schmid ist einer der wenigen Geiger von Weltrang, die spontan improvisierte Musik wie auch komplexeste Partituren gleichermaßen überzeugend spielen können. Georg Breinschmid begann seine Laufbahn in großen Symphonieorchestern, wechselte aber bald zum Jazz bzw. suchte – und fand – einen eigenen, unverwechselbaren Stil, den Spielwitz, komplexe Rhythmen, überraschende Akkordwechsel und ein Füllhorn an melodischen Einfällen auszeichnen.
Wer mit Breinschmid auftritt, muss, salopp formuliert, ganz schön auf Zack sein. Das gilt in höchstem Maße auch für Stian Carstensen: Der norwegische Akkordeonist übte schon am Schulweg, wenn ihn der Vater mit dem Auto führte. So dürfen wir uns den kleinen Stian im Fond des elterlichen Wagens vorstellen: Am Rücken die Schultasche, vor der Brust die Ziehharmonika. Nach einer kurzen Episode der jugendlichen Selbstfindung ("Wie cool ist Akkordeon-Spielen eigentlich?") studierte Carstensen Jazz in Trondheim. Er ist ein wacher Geist, dessen sprühende Kreativität niemals zu versiegen scheint, und betreibt Projekte und Ensembles in den unterschiedlichsten Musik-Genres.
Alle drei verstehen den Begriff "Klassik" weniger als Genre denn als Wertschätzung: Klassisch sei, was sich, aus dem Zeitpunkt der Entstehung herausgelöst, als zeitlos erweist. "Classic Impro" ist denn auch ein passender Name für die Programme des Trios Schmid-Breinschmid-Carstensen.
Text: Albert Hosp
Service
ORF Radio-Symphonieorchester
MuseumsQuartier Wien
Halle E + G
Samstag 16. April 2016 um 19.30 Uhr, Halle E im MuseumsQuartier Wien