"Neapel" - Solodebüt von Clemens Wenger

Clemens Wenger zählt zu den umtriebigsten Musikern der heimischen Szene. Jetzt hat der Pianist und Leiter der Wiener Jazzwerkstatt mit "Neapel" sein erstes Soloalbum eingespielt. Heute Abend präsentiert er es im Wiener Jazzclub Porgy & Bess.

Kulturjournal, 1.3.2016

Er ist Mitglied der Wiener Soul-Band 5/8erl in Ehr'n und tritt als Pianist und Komponist in den unterschiedlichsten Formationen auf, ist Labelbetreiber und Festivalleiter, der zwischen Jazz, Elektronik und zeitgenössischer Musik überall gleichermaßen zu Hause zu sein scheint. Das neue Album hat der 33-jährige Wenger großteils im Heimstudio, im Studio des Wiener Elektroniktüftlers Dorian Concept und auch in den Studios des Wiener RadioKulturhauses eingespielt. Unterstützung hat er sich dafür etwa vom Studio Dan String Quartett geholt.

Einfach schön

"Neapel" von Clemens Wenger lässt sich mit zwei Worten auf den Punkt bringen, über die man dann aber lange diskutieren könnte. Leicht und eingängig gleich beim ersten Hinhören. Aber dann in seinen Details doch so vielschichtig, dass man jede Nummer wieder und wieder aufs Neue für sich entdecken kann. "Nicht zu viel aushirnen, sondern auch einmal von etwas ganz Leichtem ausgehen, das war mein Vorsatz für dieses Album."

Wenn Clemens Wenger von seinem ersten Soloalbum erzählt, klingt er manchmal ein bisschen wie ein Fußballer, der alle technischen Gustostückerl beherrscht, und nun einfach einmal einnetzen wollte. "Ich hab einfach geschaut, das was ich höre aufzunehmen, und nicht das, was ich denke. Und das war ein wichtiger Schritt weg vom Konstruieren, hin zum Passieren lassen." Und doch ist "Neapel" auch ein Kunstschuss geworden, eine komplexe Klangreise, die detailverliebt aber nie überfordert, sondern einlädt, sich zurückzulehnen, zu genießen, und sich darin zu verlieren.

Vor drei Jahren ist Wenger das erste Mal allein nach Neapel gefahren, seither immer wieder: "In diesem Album steckt schon viel von der Stadt, weil ich dort einfach die Inspiration gefunden habe, allein Sachen zu machen." So wie auch dieses erste Soloalbum.

New York, ein Kinderspielplatz

Es sei eine Stadt mit einer ganz eigenen Dynamik, schwärmt Wenger: "Als Jazzmusiker wird man immer angehalten, man soll nach New York. Ich war schon dort, und ich mag die Stadt, aber in Neapel lebt man viel mehr im Moment. Da ist New York ein Kinderspielplatz dagegen." Im titelgebenden Stück "Neapel" hört man dann auch Field recordings, die der Musiker vor Ort gesammelt hat. Man kann den Hafen erahnen, eine Bar an der Straßenecke … Aber, er habe keine allzu konkreten Klangbilder einbauen wollen, der Zuschauer solle sich selbst seine Sehnsuchtsorte vorstellen können, so Wenger.

Musikalisches Destillat Wien

So wie jede einzelne Nummer auf "Neapel" ihre ganz eigenen Bilder evoziert, so hat auch Wenger selbst beim Komponieren Geschichten oder Bilder als Bezugspunkte, von denen er ausgeht. Und diese Geschichten führen dann etwa auch nach Shanghai, wo Wenger letztes Jahr mit den 5/8erl in Ehr'n unterwegs war. Im Zentrum der einzelnen Nummern, stehen dabei immer wieder kleine Melodien, auf die Improvisationen aufbauen, und die Wenger dann teils immer wieder aufs Neue variiert. Die durchgespielt und aufgebrochen werden.

Letztlich sei die "Musik" auf Neapel auch ein musikalisches Destillat Wiens, heißt es im Pressetext. Wenger erzählt von einem Beethoven Streichquartett das bei ihm in Dauerschleife laufe, von den Ideen die Schubert und Schönberg liefern, und von sich als Musiker, der in den unterschiedlichsten musikalischen Gefilden zu Hause ist. Und in diesem Sinne ist "Neapel" auch ein Destillat des Grenzgängers Wenger. In der Offenheit gegenüber unterschiedlichen Ideen und Stimmungen, und in der Komplexität, die doch mit Leichtigkeit serviert wird.

Service

"Neapel" erscheint am 4. März und heute Abend präsentiert Clemens Wenger sein Solodebut auch live im Wiener Jazzclub Porgy & Bess.
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