"Beautiful Thing" im Theater der Jugend
An ein lange tabuisiertes Thema wagt man sich im Theater der Jugend: Homosexualität unter Jugendlichen. "Beautiful Thing" wurde 1992 vom englischen Autor Jonathan Harvey geschrieben und später erfolgreich verfilmt. Regisseur Werner Sobotka inszeniert das Stück am Wiener Renaissancetheater. Premiere ist morgen.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 7.4.2016
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Theater der Jugend - Beautiful Thing
Ein zartes Pflänzchen wächst
Es gibt schönere Gegenden aufzuwachsen, als jene Betonwüste aus Sozialwohnungen, in der die Jugendlichen Jamie, Ste und Leah Tür an Tür wohnen. Die Wände sind dünn und meistens trifft man sich auf den Stufen vor dem Haus. Der sportliche Ste wird von seinem Vater regelmäßig verprügelt, der 15-jährige Jamie leidet unter dem Gespött seiner Klassenkollegen und seiner alleinerziehenden Mutter, und die dicke Leah ist von der Schule geflogen und flüchtet sich in Drogen und die Musik von Mama Cass.
"It's getting better" singt Mama Cass hoffnungsfroh in ihrem 60er-Jahre-Hit, der das Stück durchzieht - und tatsächlich erblüht irgendwo in zwischen kalter Tristesse des Alltags und den Qualen der Pubertät ein zartes Pflänzchen - die Zuneigung zwischen den Nachbarsburschen Jamie und Ste, die nicht lange ein Geheimnis bleibt.
Vor einigen Jahren "undenkbar"
"Natürlich wird's Eltern geben, die sagen, 'aber da wird geflucht auf der Bühne, da wird geraucht und geschlagen', aber es ist kein Stück für 6-Jährige sondern für 13+ und es ist kein heile-Welt-Stück", sagt Regisseur Werner Sobotka. Ein Märchen ist das Stück des englischen Dramatikers und Lehrers Jonahan Harvey wahrhaftig nicht, und die Sprache ist selbst für ein Jugendtheaterstück deftig durchsetzt mit Flüchen und Obszönitäten. Intendant Thomas Birkmeier habe mit seiner Stückauswahl einiges gewagt, so Sobotka. Denn die Thematik Homosexualität wäre vor einigen Jahren im Jugendtheater noch undenkbar gewesen.
"Wenn man sagt, z.B. ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung ist homosexuell, haben wir - bei 600 Plätzen - jeden Abend 60 potenzielle Kandidaten drin, für die das vielleicht was bringen könnte: eine Erleichterung sich zu entwickeln, darüber zu reden oder Fragen zu stellen. Also ich halte es für richtig, das auf den Spielplan zu setzen", betont der Regisseur.
Ein geglücktes Wagnis
Das Wichtigste sei es, zwei ganz durchschnittliche Jugendliche zu zeigen, ganz ohne Schwulenattitüde, Nagellack oder Federboa, so Sobotka, erst dann werde das Stück relevant und nachvollziehbar. Die Proben lassen erahnen, dass das geglückt ist. Die Darsteller beherrschen den Drahtseilakt zwischen schrillen und stillen Momenten und machen klar, dass Liebe, egal wo und unter welchen Umständen, immer etwas Schönes ist - "a beautiful thing" also.