Illegale Abschiebungen aus der Türkei?

Die Abmachung zwischen EU und der Türkei zeigt Wirkung: Weniger Flüchtlinge versuchen, über die Ägäis zu kommen, seit sie fürchten müssen, von Griechenland in die Türkei zurückgebracht zu werden. Menschenrechtsorganisationen in der Türkei widersprechen der EU-Einschätzung, dass die Türkei ein sicheres Land für Flüchtlinge sei und berichten von illegalen Abschiebungen.

Morgenjournal, 15.4.2016

Noch im Februar waren es an manchen Tagen mehr als 3000 Menschen, die von der türkischen Küste aus, von Ayvacik, Dikili oder Bodrum die gefährliche Überfahrt auf die griechischen Inseln geschafft haben. Mittlerweile sind es im Schnitt weniger als 100 pro Tag. Es hat sich herumgesprochen, dass der Sprung auf die griechischen Inseln nicht mit der Weiterreise nach Europa belohnt wird, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Zwangsrückführung in die Türkei endet. Die hat zwar begonnen, stockt aber, weil Asylanträge in Griechenland erst noch geprüft werden müssen.

Bisher wurden in erster Linie Menschen aus Pakistan oder Bangladesch in die Türkei zurückgeschoben, aber auch einige Iraker und Afghanen. Nach Ankunft an der türkischen Küste wurden die meisten in sogenannte Rückführungslager gebracht, etwa nach Pehlivanköy gut zwei Autostunden von Istanbul entfernt. Ein Lager, das mit EU-Geld errichtet wurde und letzte Station vor der Abschiebung ist.

„Wir sind ziemlich besorgt, dass sie alle einfach schnurstracks in ihre Heimatländer deportiert werden“, erzählt Begüm Basdas von Amnesty International in Istanbul. „Gleich nach Abschluss des EU-Türkei-Deals wurden 30 Afghanen abgeschoben. Obwohl sie angegeben hatten, dass ihr Leben in Afghanistan in Gefahr ist. Die Anträge auf internationalen Schutz oder Asyl werden in der Türkei nicht ordentlich bearbeitet.“

Rechtlich gesehen bewegen sich Flüchtlinge in der Türkei ohnehin auf unsicherem Boden. Die Türkei hat die Genfer Flüchtlingskonvention nur mit einem geografischen Vorbehalt unterzeichnet. Das führt zu einem Kuriosum: Einzig Europäer können in der Türkei Asyl beantragen, Afghanen, Iraker oder Syrer hingegen nicht. Die Türkei gesteht Syrern allerdings ein temporäres Bleiberecht zu, sie dürfen nach türkischem Recht nicht in ihre Heimat zurückgeschoben werden. Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen behaupten, dass dies trotzdem geschieht.

„Seit dem Start der EU-Türkei Verhandlungen um einen Flüchtlingsdeal hat sich die anfänglich sehr tolerante Einstellung der türkischen Behörden zu den Flüchtlingen geändert. Wir haben Beweise, dass die Türkei syrische Flüchtlinge gegen deren Willen festhält und sie dann zurück nach Syrien deportiert“, sagt Begüm Basdas.

Im Schnitt sollen bis zu 100 Syrer pro Tag illegal in ihre Heimat abgeschoben werden sagt Amnesty und beruft sich auf Interviews, die man mit Betroffenen geführt habe. Die türkische Regierung bezeichnet diese Berichte als falsch. Und verweist auf mittlerweile mehr als 2,7 Millionen registrierte Flüchtlinge allein aus Syrien, denen man Zuflucht gewährt und damit das Leben gerettet habe. Auch hat die Türkei jüngst Integrationsmaßnahmen gesetzt: registrierte Syrer dürfen legal arbeiten, die Anstrengungen syrischen Kindern einen Schulplatz zur verschaffen wurden verstärkt. Doch greifen diese Maßnahmen nur langsam.

Dass die Türkei gehandelt während Europa weggeschaut hat, steht fest. Die sprichwörtliche anatolische Gastfreundschaft scheint aber zunehmend ausgereizt. Auch weil der türkischen Bevölkerung mittlerweile klar wird, dass viele der syrischen Gäste das Land wohl nie wieder verlassen werden.