Turner-Preisträger Wolfgang Tillmans in Berlin

Berühmt geworden ist er mit eindrücklichen Fotos der Londoner Rave- und Schwulenszene. Der deutsche Fotokünstler Wolfgang Tillmans gehört zu den großen Lifestyle-Fotografen der 1990er Jahre. Bis heute wirken seine Sujets und Motive stilprägend. Im Jahr 2000 erhielt Tillmans als erster Fotograf den renommierten Turner-Preis. Derzeit sind seine Werke in Berlin zu sehen.

Wolfgang Tillmanns

ORF

Kulturjournal, 2.5.2016

Lange galt er als Chronist der Londoner Rave-Szene. Er nahm Partystilleben in den Blick, fotografierte seine Freunde leicht bekleidet, oder beim Tanzen und kreierte als Fotograf der britischen Lifestyle-Bibel I-D einen Stil, der vielfach kopiert und nie erreicht worden ist. Jetzt zeigt die Galerie Buchholz in Berlin Bilder, die der deutsche Fotokünstler Wolfgang Tillmanns, in seinem Studio gemacht hat.

Postkartengroß bis großformatig arbeitet sich Tillmans am Topos des Künstlerateliers ab. Langweilig wird das nie. Viel Technik ist da zu sehen. Monitore und Drucker, aber auch Partyszenen. Denn auch am Arbeitsplatz wird gefeiert. Das ist bei Tillmans immer noch so, obwohl er mittlerweile 47 Jahre alt ist. Trotzdem relativiert er: "Das Feiern steht in dieser Ausstellung nicht im Vordergrund. Ich wollte auch nicht das romantische Bohème-Leben zeigen, sondern ich beschäftige mich eben mit verschiedenen Aspekten eines Schauplatzes, in dem ich einen großen Teil meines Lebens verbringe."

Ich wollte nicht sagen: "Ich bin hier auf der geilen Party!"

Wolfgang Tillmans fängt in seinen Fotos meist private, ja intime Momente ein. Seine oft dokumentarischen Bilder erzeugen die Illusion von Unmittelbarkeit und sind dennoch weit entfernt von der narzisstischen Nabelschau, die wir aus den Selbstdarstellungsplattformen des Web 2.0. kennen. Im Jahr 2000 erhielt Wolfgang als erster Fotograf den renommierten Turner-Preis. 2009 entdeckte er die digitalen Fotografie und damit eine neue Welt. Die Bilderwelten auf Facebook oder Instagram faszinieren ihn nicht minder, auch wenn sie ihm fremd sind.

"Irgendwie ist heute jeder ein Fotograf und die Menschen sprechen tatsächlich mit Fotos und das kann ich nicht negativ, oder herabschauend betrachten. In gewisser Weise tu ich das ja selbst", sagt Wolfgang Tillmans über die Bilder des Web 2.0.

Instagram, das ist nicht nur eine der größten Marketing- und Werbeplattformen der Welt: Auf Instagram setzen zumeist junge Menschen ihren Alltag in Szene und teilen bebilderte Tagebücher mit einem potentiellen Millionenpublikum. Auch Wolfgang Tillmans dokumentierte einst den Alltag seines Umfelds. Doch die Bilder Sozialer Netzwerke unterscheiden sich von Tillmans Sujetbildern entscheidend.

"Meine Partyfotos stehen für Menschen, die feiern, oder tanzen. Ich interessiere mich für die jahrtausendealte Leidenschaft der Menschen zu tanzen, ich nehme den Schweiß in den Blick, der entsteht, wenn man sich in Trance tanzt. Ich wollte Menschenbilder schaffen und nicht sagen 'Ich bin hier auf der geilen Party!'", so Tillmans.

Seit 26 Jahren lebt Wolfgang Tillmans in London, seit fünf Jahren pendelt er zwischen London und Berlin. In der deutschen Hauptstadt befindet sich seither auch sein Studio. Berlins Künstlerszene habe ihn angezogen, sagt Tillmanns. Auf die billigeren Mieten ist der international erfolgreiche Künstler nicht angewiesen. Deshalb steigt er in den Flieger, sobald er das Flair der Metropole London vermisst.

Service

Galerie Buchholz - Wolfgang Tillmans
29. April – 4. Juni 2016