Von Claus Leggewie und Patrizia Nanz

Die Konsultative als vierte Gewalt

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie hat mit Büchern über die Globalisierung und ihre Gegner, Anti-Amerikanismus und Rechte in Deutschland schon oft Diskussionen angeregt. Nun legt er gemeinsam mit Patrizia Nanz ein Buch vor, in dem er beschreibt, wie durch mehr Bürgerbeteiligung mehr Demokratie entstehen könnte. "Die Konstultative" lautet der Titel, darunter versteht er eine Art vierte Gewalt.

Kontext, 13.5.2016

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Patrizia Nanz, Claus Leggewie, "Die Konsultative. Mehr Demokratie durch Bürgerbeteiligung", Wagenbach Verlag

Leggewie schlägt vor, dass eine breite und tiefe Konsultation der Bürgerschaft dem Gesetzgebungs- und Entscheidungsverfahren vorangestellt und nachgeordnet werden sollte. Diese "Konsultative" soll neben Exekutive, Legislative und Judikative mittelfristig als vierte staatliche Gewalt institutionalisiert werden. Bürgerinnen und Bürger sollten demnach mitdiskutieren, die Ergebnisse gesammelt und in den Entscheidungsprozess eingespeist werden. Damit könnte der Erosion der repräsentativen Demokratie und der allgemeinen Politikverdrossenheit ein Ende gesetzt werden, glaubt Leggewie.

Korrektiv von unten

Auch dem hochentwickelten Lobbywesen könne man dadurch etwas entgegen halten. Gerade im Gesundheitsbereich sei es oft so, dass Vertreter der Pharmaindustrie ihre benötigten Gesetze "geradezu selbst schreiben, indem sie in die Parlamente hineinwirken", betont Leggewie. Dieser postdemokratische Trend brauche ein Korrektiv von unten.

Die viel zitierten "Wutbürger" meint Leggewie allerdings nicht, wenn er von einer Beteiligungsrevolution spricht. Jene Bürger würden im politischen Prozess eher zerstörerisch wirken und Politik verhindern, statt sie mitzugestalten. Mit dem Konzept der Beteiligung soll auch rechtspopulistische Agitation eingefangen werden: "Populismus ist kein Schicksal, wenn es gelingt seine Motive zu verstehen", schreibt Leggewie.

Vorbild Vorarlberg

Als positives Beispiel führt der Politikwissenschaftler Vorarlberg an: Dort wurde bereits 1999 ein "Büro für Zukunftsfragen" eingerichtet. Seit 2013 sind in Vorarlberg Bürgerräte in der Landesverfassung verankert. So konnte man etwa bei der Umgestaltung des Bodenseeufers in Bregenz nachhaltige Lösungen finden.

Als Idealvorstellung hat Leggewie Gruppen von 15-20 Personen auf Gemeindeebene vor Augen. Diese sollen zufällig und möglichst ausgewogen in Bezug auf Geschlecht, Beruf und formale Bildung ausgewählt werden. Seine Überlegungen will Leggewie allerdings nicht als Patentrezept verstanden wissen, sondern als Anstoß für ein Konzept, das im besten Fall von den Bürgerinnen und Bürgern weiterentwickelt und verbessert wird.