"Gewöhnliche Menschen" im Theater Akzent

NSA-Aufdecker Snowden, Wikileaks-Gründer Assange oder jener Mann, der als John Doe die Panamapaper-Affäre ins Rollen gebracht hat: Sie wurden als "Whistleblower" bekannt, die Missstände aufdecken. Diesen "Gewöhnlichen Menschen" widmet die rumänische Autorin und Regisseurin Gianina Carbunariu ihr jüngstes Werk.

Im Rahmen der Wiener Festwochen ist es ab heute Abend im Theater Akzent zu sehen.

Mittagsjorunal, 31.5.2016

"Wir leben in einem absurden System"

Nicht immer geht es um große Skandale, die Whistleblower ans Tageslicht bringen - wie Steuerdeals internationaler Konzerne, Spionage im US-Geheimdienst oder millionenfache Fälschung von Abgaswerten. Manchmal geht es auch "nur" um Medikamentenmissbrauch auf einer Demenzstation, um falsche Rechnungslegungen in der Straßenbaubehörde oder um Ungereimtheiten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Stadtverwaltung. Gewöhnliche Verbrechen, die von gewöhnlichen Menschen ans Licht gebracht werden, so die rumänische Theatermacherin Gianina Carbunariu.

"Die sehen sich nicht als Helden, sie sind normale Menschen, wie du und ich, und was sie tun ist eigentlich selbstverständlich. Aber wir leben in so einem absurden System, dass so ein Akt zu etwas Einzigartigem und Unglaublichen wird - und das ist traurig", sagt die Theatermacherin. Was sie tun, tun sie nicht für sich und ihre Karrieren, sondern zum Wohl der Allgemeinheit. Eine Selbstlosigkeit die sie oft teuer bezahlen: mit dem Verlust des Jobs, der Zerstörung ihrer Karriere, mit Angstzuständen und Panikattacken und Mobbing von Vorgesetzten und Kollegen.

Aus Interviews fiktiven Text kreiert

Gianina Carbunariu hat getan, was sie immer tut, wenn sie Theater macht: Sie nimmt ein aktuelles, politisch brisantes Thema, führt Interviews, eignet sich Fachwissen an und schreibt dann einen fiktiven Theatertext. Hier hat sie mit Whistleblowern in Großbritannien, Rumänien und Italien gesprochen und ihre Erfahrungen in ihr Stück einfließen lassen. Im Gegensatz zu den Medien, di oft nur Fakten lieferten, könne das Theater die Schicksale der Menschen dahinter sichtbar machen.

"Den Begriff des 'Whistleblower' setzen viele fälschlicherweise mit Verräter gleich, und viele Firmen unterstützen diese Begriffsverwirrung. Es ist aber wichtig hier zu unterscheiden. In den Medien bleibt oft keine Zeit für differenzierte Reflexion, und gerade da sollte das Theater wirken. Manche sagen, das Theater soll uns in eine andere Welt entführen, aber leben wir nicht viel zu oft in einer anderen Welt - und verschließen die Augen vor dem, was um uns passiert?"

Kettenreaktionen in Gang setzen

Informieren und aufklären, möchte Gianina Carbunariu mit ihren dokumentarischen Arbeiten am Theater, damit hat sie die freie rumänische Theaterszene aufgemischt und international Karriere gemacht. "Eine Frau, die meine Produktion gesehen hat, rief mich danach an und sagte: Jetzt weiß ich, dass ich ein Whistleblower bin, aber dank ihres Stückes weiß ich auch, dass ich in Rumänien durch ein neues Gesetz geschützt bin", sagt Carbunariu.

Manchmal bringt das Theater einfach die richtigen Informationen an die richtigen Menschen und setzt damit eine Kettenreaktion in Gang - die irgendwann das größere System verändert. Und genau darum geht es letztlich auch in ihrem Stück. "Gewöhnliche Menschen" von Gianina Carbunariu ist von heute bis Donnerstag im Theater Akzent in Wien zu sehen - in rumänischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

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