"Vor der Morgenröte": Hader ist Zweig

Denkt man an Josef Hader, denkt man vielleicht zuerst an den Kabarettisten. Ab Freitag ist Hader in einer ungewöhnlichen Rolle zu sehen: Im Drama "Vor der Morgenröte" spielt er den österreichischen Schriftsteller Stefan Zweig in seinem brasilianischen Exil. Inszeniert hat den Film die Deutsche Maria Schrader.

Morgenjournal, 1.6.2016

Annäherung an das Exil

Was geht wohl in Stefan Zweigs Kopf vor, wenn er scheinbar gedankenverloren ins Leere blickt. Zwischen ihm und seiner Heimat ein ganzer Ozean, ins Exil nach Brasilien getrieben, kann er die tragischen Ereignisse in Europa nur über Zeitungen verfolgen. Und während in Deutschland seine Bücher am Scheiterhaufen brennen, streut man ihm Rosen am anderen Ende der Welt. Herumgereicht in ganz Brasilien, hält er am Höhepunkt seines weltweiten Ruhms Ansprachen bei Banketten, stellt sich der internationalen Presse, schüttelt Hände - und vereinsamt innerlich.

Die Regisseurin Maria Schrader war dabei nicht an der lückenlosen Aufarbeitung der Exiljahre Stefan Zweigs interessiert. Sie wollte einen Film machen, der "vom Krieg erzählt, ohne diesen zu zeigen. Ohne überhaupt Europa zu betreten", sagt die Regisseurin. "Es ist ein Film über einen Mann, der das Paradies vor Augen hat, sich selbst in Sicherheit weiß, und doch von seiner eigenen Vorstellungskraft und dem Albtraum, was am anderen Ende der Welt passiert, eingeholt wird."

Sinnliche Bilder, beharrliche Ruhe

In sinnlichen Bildern, nah an den Figuren, führt der Film mit einer beharrlichen Ruhe durch sechs Episoden in New York und Brasilien - zeigt den Schriftsteller in scheinbar trivialen Situationen und lässt viel Zeit, zwischen den Zeilen zu lesen. "Es ist kein klassisches Biopic, sondern eher eine Annäherung an das Exil", so Schrader.

Maria Schrader wollte sich für die Besetzung nicht von physiognomischen und habituellen Ähnlichkeiten leiten lassen, wie sie sagt. Die Wahl fiel auf Josef Hader, weil er ihm charakterlich gleiche. Denn neben seiner melancholischen, aber liebevollen Weltsicht, habe ihr gefallen, dass Josef Hader selbst Autor ist, zu tagespolitischen Themen Stellung nehme und die intellektuellen Kapazitäten Zweig zu spielen, mitbringe.

Das Komische im Tragischen

Der Kabarettist war zu Beginn weniger überzeugt: Jemanden zu spielen, der in einer anderen Zeit lebte, sei für ihn, der kein Theaterschauspieler ist, zunächst beängstigend gewesen, sagt Hader. Nach dem Lesen des Drehbuchs habe er jedoch die komischen Momente im tragischen Schicksal gesehen, und gedacht, er könnte es versuchen.

Josef Haders Spiel zeigt, dass er zu weit mehr fähig ist, als zu den ihm auf den Leib geschriebenen Rollen. Eingebettet in historisch verbrieften Kontexten, kreiert die Regisseurin zwar fiktive Szenarien, die aber durch akribische Recherche der Realität vielleicht gar nicht so fern gewesen sein könnten. Maria Schrader gibt damit die Möglichkeit Stefan Zweig in sehr privaten Momenten, abseits der klassischen Filmbiografien zu erleben.