One-Woman-Show "MDLSX"

"MDLSX" ist die Abkürzung für "Middlesex". Eine italienische One-Woman-Show der Gruppe Motus bezieht sich auf diesen mit dem Pulitzer-Preis gekrönten Roman von Jeffrey Eugenides. Premiere ist heute im Wiener Schauspielhaus.

Kulturjournal, 3.6.2016

Sinnesreise zwischen Fiktion und Realität

Motus gehört zu den renommiertesten und mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichneten Theaterformationen Italiens. Ihr Projekt "MDLSX" ist angelehnt an den 2002 erschienenen griechischen Roman "Middlesex" von Jeffrey Eugenides, der dafür mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Darin geht es um das Coming-Out der Figur Cal, einem Hermaphroditen und um die Frage nach Identität. Auf der Bühne verwebt die Performancekünstlerin Silvia Calderoni ihre eigene Lebensgeschichte mit fiktiven Elementen aus dem Roman - unterbrochen von rezitierten Gender-Manifesten und lauter Musik.

Es ist eine Sinnesreise - wie eine Droge soll sie wirken, ein wenig verwirren, sich erst mit der Zeit erklären. Konzentriert auf eine Person: Silvia Calderoni. Die Künstlerin arbeitet bereits seit zehn Jahren mit der Theaterformation Motus zusammen - gegründet von Enrico Casagrande und Daniela Nicoló. "Gegründet vor 25 Jahren, sind wir noch immer eine sehr unabhängige Gruppe. Wir haben keine fixe Spielstätte, kein Theater - wir sind Nomaden", sagt und Daniela Nicoló. "Der Name 'Motus' ist ein lateinisches Wort und bedeutet Bewegung. Für uns beinhaltet die Idee der Bewegung alle Aspekte unserer theatralen Aktivitäten. wobei ich vorrangig dramaturgisch arbeite und Enrico meistens Regie führt. Aber wir teilen alles und vor allem teilen wir jedes Projekt mit den Schauspielern - beziehen sie ein."

Jeden Tag die Freiheit haben

Auch die Performancekünstlerin Silvia Calderoni war stark in die Inszenierung involviert. Es ist das erste Mal, dass die alleine auf der Bühne steht und biografisches von ihr preisgibt - verbunden mit den Inhalt des griechischen Romans "Middlesex" und dessen Hauptfigur Cal. Es ist ein Wortspielt. Silvia Calderonis Name beginnt mit Cal und so wurde sie in ihrer Jugendzeit auch genannt.

"Auch wenn Silvia kein Hermaphrodit ist, arbeiten wir in unserem Stück mit diesen Grenzen, diesen Verwirrungen zwischen dem biografischen Teilen aus Silvias Leben und der Fiktion aus dem Buch - unterstützt durch Silvias androgynes Erscheinen. Natürlich geht es dabei um Genderfragen. Es geht um den Wunsch, nicht in eine Schublade gesteckt zu werden. Auch Silvia ist es so gegangen. Sie wollte nicht definiert werden. Ist sie eine Frau oder ein Mann? Ihr war es lieber in der Mitte zu bleiben, jeden Tag die Freiheit zu haben, sich neu entschieden zu dürfen. Und um diese Idee der Freiheit geht es in diesem Stück."

Wo liegen unsere Grenzen?

Die Frage des Geschlechts ist in der letzten Zeit vermehrt zum Thema von Performances geworden. In den Augen von Daniela Nicoló seien diese aber immer sehr tragisch. In diesem Punkt unterschiede sich "MDLSX" und ist als Einladung an das Publikum zu verstehen, sich frei zu fühlen alles sein zu dürfen, was man möchte. Enrico Casagrande führte Regie. Und auch wenn die Gender-Studies im Stück sehr zentral sind, gehe es für ihn auch um andere Fragen.

"Die Idee zum Stück entstand rund um unser Verständnis von Grenzen. Wir befinden uns in der Situation, dass in ganz Europa wieder Grenzen entstehen. Echte Grenzen", sagt Nicoló. "Und deshalb reisten wir zu diesen Grenzen. Reisten auch nach Jerusalem, in die Palästinensischen Autonomiegebiete, nach Mexico. Wir wollten verstehen, wie es den Menschen dort geht und begannen uns gemeinsam mit Silvia zu fragen, wo eigentlich unsere eigenen Grenzen sind. Und auch wenn die Genderfrage im Stück sehr zentral ist, geht es um die Frage: Was ist Normalität. Wir leben nach Regeln, die wir selbst erstellt haben. Und manchmal ist es wichtig diese Regeln, diese Grenzen zu verschieben."

Fragmente von Manifesten

Eingebettet in die Biografie der Performance-Künstlerin, wird diese Linearität durch Fragmente von Manifesten unterbrochen. Texte von Judith Butler, Donna Haraway und Paul B. Sie alle beschäftigten sich mit den Themen Geschlecht, Sexlosigkeit und Körper. Enrico Casagrande und Daniela Nicoló nützen diese Zitate, um mögliche Antworten zu geben. Offene und vielleicht auch verrückte Antworten, wie sie selbst sagen.

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