Zeichner und Autor Pajak im Porträt

Frederic Pajak ist ein französisch-schweizerischer Zeichner, Autor und Verleger. In seinen Büchern hat er eine originelle Mischung aus Zeichnung und Text entwickelt - weder Graphic Novel noch illustrierter Text. Vor allem seine neueren Publikationen sind Mischungen aus Erzählung und Essay.

Für seine rund 20 Bücher hat Pajak schon zahlreiche Preise bekommen, u.a. 2014 den renommierten Prix Medicis für den besten Essay. Heute Abend wird in der Gershon Gallery in der Brotfabrik im 10. Bezirk in Wien eine Ausstellung seiner Zeichnungen eröffnet, dazu wird das erste Buch seiner Reihe "Ungewisses Manifest" in deutscher Fassung präsentiert.

Kulturjournal, 9.6.2016

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Frederic Pajak, "Ungewisses Manifest 1", edition clandestin

Heute Abend wird in der Brotfabrik im 10. Bezirk in Wien eine Ausstellung seiner Zeichnungen eröffnet und das erste Buch der Reihe "Ungewisses Manifest" in deutscher Fassung in einer zweisprachigen Lesung des Autors und der Schauspielerin Natalie Amanda Assmann präsentiert. Beginn ist 18:30 Uhr, die Ausstellung läuft bis 15. Juli 2016.

Brotfabrik Wien – Gershon Vienna Gallery

Episoden aus Walter Benjamins Leben

"Die Zeichnungen und das Schreiben sind zwei Sprachen, die für mich wie Feinde sind, die sich gegenüberstehen, und die sich manchmal versöhnen. In dem Buch sieht man eine Zeichnung und darunter einen Text, manchmal auch nur Text, aber es gibt nie nur eine Zeichnung. Die Zeichnung hat nicht unbedingt etwas mit dem Text zu tun, aber in manchen Fällen ist sie auch eine Illustration", erklärt Frederic Pajak.

"Ungewisses Manifest 1" ist ein sehr persönliches Porträt des Philosophen und Kulturkritikers Walter Benjamin, der sich im September 1940 auf der Flucht vor den Nazis im spanischen Portbou das Leben nahm. So lautet auch der Untertitel des Bandes "Mit Walter Benjamin, versehrter Träumer in der Landschaft". Episoden aus dessen Leben alternieren mit Überlegungen und zahlreichen Zitaten des Denkers und dessen Umfelds. Frederic Pajak entpuppt sich da als akribischer Rechercheur und Arbeiter.

Lesenotizen und Reisen

"Ich sage oft, dass meine Bücher Bücher für Leser sind. Ich lese enorm viel, wenn ich ein Buch vorbereite. In diesem Fall, wo viele Seiten Walter Benjamin gewidmet sind, musste ich sein ganzes Werk lesen, und das ist harte Arbeit. Er ist ja kein einfacher Schriftsteller. Beim Lesen mache ich mir viele Notizen, die ich dann zusammenfasse. Und so habe ich dann eine sehr persönliche und synthetische Sicht eines Buches. Das sind dann 200 bis 300 Seiten Lesenotizen, und davon ausgehend schreibe ich dann mein Buch." Das erklärt auch, meint Frederic Pajak, warum es in seinen Büchern so viele Zitate gibt.

Was nun die Zeichnungen betrifft, hängt das von den Büchern ab. "Manchmal mache ich die Zeichnungen vorher. Jetzt tendiere ich eher dazu, sie später zu machen. D.h. ich zeichne das ganze Jahr lang gar nicht, und dann zweieinhalb Monate sehr intensiv. Dann entstehen so an die 200 Zeichnungen." Oft zeichnet der Künstler in der Natur, aber er reist auch sehr viel.

"Ich reise dann an die Orte, von denen ich spreche. Bei Walter Benjamin war das Spanien, Ibiza. Ich folge den Spuren der Autoren, von denen ich spreche. Bei anderen Zeichnungen gehe ich von archetypischen Fotos aus, also von einem sehr bekannten Bild, und versuche dieses Foto mit meinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen neu zu interpretieren, dem Bild mit der Zeichnung eine andere Emotion zu geben." Und dann gibt es Zeichnungen, die ich nach Fotos mache, die ich aufgenommen habe. Das ist der Fall bei Gebäuden, also Architektur: Da brauche ich viel Dokumentation.

Einsamkeit, Melancholie und Liebe

Auffallend ist die melancholische Stimmung, die sich in diesem Buch breit macht: die Lebensabschnitte mit dem dramatischen Ende Walter Benjamins, die Seiten über Beckett, der über seinen Malerfreund Van Velde schreibt. Bei dieser Frage erinnert Frederic Pajak daran, dass er ein Buch mit dem Titel "Melancholie" geschrieben hat, das sein erstes Buch "Die immense Einsamkeit" heißt. Er hat auch über den Wahnsinn von Friedrich Nietzsche geschrieben, über den Selbstmord Cesare Paveses, über James Joyce und darüber, in der Familie eingesperrt zu sein.

"Die Helden und Titel meiner Bücher sind oft Gefühle: die Einsamkeit, die Melancholie, der Liebeskummer. Ich empfinde die Unsicherheit als ein sehr starkes Gefühl in mir. Für mich ist der Selbstmord eine essentielle Frage - ohne selbst Selbstmord gefährdet zu sein. Aber das ist eine wesentliche Frage, auf die man immer wieder trifft, wenn man sich näher mit Poeten und Künstlern beschäftigt: Sie sind dann oft von der Angst davor besessen!"

Immer wieder werden in "Ungewisses Manifest1" die Benjamin gewidmeten Seiten mit Autobiografischem gewürzt. So erfährt man, wie Pajak als junger, mittelloser Mann versucht, sich in Paris durchzuschlagen, er wohnt in einer der heute verpönten Banlieues. Bei seinen Anfängen als Zeichner muss er immer wieder auch Zensur erfahren, sogar bei den Satire-Zeitschriften "Charlie" bzw. "Hara Kiri". Diese hatten damals ihre Blütezeit, wegen ihres frechen, anarchischen Humors.

Gegen Mohamed-Karikaturen

Frederic Pajak ist gegen Karikaturen des Propheten Mohamed. "Und das aus einem einfachen Grund: Bei uns im Westen gibt es eine lange Tradition der antiklerikalen Karikatur. Und auch wenn manche Katholiken Anzeige erstatten und es Prozesse gibt, gibt es eine gewisse Toleranz und einen laizistischen Geist, der im Großen und Ganzen akzeptiert wird. Außerdem gibt es eine Tradition der bildlichen Darstellung, was bei den Moslems nicht der Fall ist. Bei den dänischen Mohamed-Karikaturen, die übrigens sehr schlecht waren, habe ich geschrieben, dass deren Publikation ein schwerer Fehler sei. Und auch mit den ständigen Attacken in diese Richtung von 'Charlie Hebdo' war ich nicht einverstanden. Moslemische Gastarbeiter in Frankreich, die ohnehin keine Sprache haben, wurden so ein zweites Mal erniedrigt."

"Ich glaube dass man den Islam kritisieren soll, aber auf - sagen wir -pädagogische, nicht so bissige Weise. Natürlich, Zeichner zu ermorden ist monströs, abe ich glaube dass man als Zeichner überlegen soll, was man tut. Ich bin mir nicht sicher, dass man sich über alles lustig machen kann."

"Für Cartier-Bresson war Zeichnen die höchste Kunst"

Als Verleger publiziert Frederic Pajak an die acht Bücher im Jahr. Es sind hochwertige Zeichenbücher, unbekannte Zeichnungen von bekannten Künstlern, aber auch von Schriftstellern wie Kafka oder Victor Hugo, die viel gezeichnet haben. Er ist gerade dabei, eine Publikation mit Zeichnungen von Filmregisseuren vorzubereiten.

"Cartier-Bresson war ein Fotograf. Ich habe mit ihm zusammen sein letztes Buch herausgegeben. Er verachtete die Fotografie. Er sagte, das sei eine Kunst für Hausbesorger. Er hatte damals schon seit 25 Jahren aufgehört, zu fotografieren. Für ihn war die Zeichnung die höchste Kunst. Er hatte in diesen 25 Jahren tausende von Zeichnungen gemacht- das Publikum weiß das gar nicht! Dieses Buch zu machen, war eine sehr emotionale Begegnung, denn es war seine große Leidenschaft.
Ich mag es Zeichnungen dort zu zeigen, wo man sie nicht erwartet."