Roman von Evgenij Vodolazkin
Laurus
Mit seinem zweiten Roman ist dem Petersburger Literaturwissenschaftler Evgenij Vodolazkin ein großartiger Roman gelungen - vorausgesetzt, man stößt sich nicht an der Verkleidung des postmodernen, fragmentierten Entwicklungsromans in einer Heiligengeschichte.
8. April 2017, 21:58
Im ersten Teil, dem "Buch der Erkenntnis", wird Arseni nach dem Tod der Eltern von seinem Großvater Christifor, einem Kräuterdoktor, in die Geheimnisse der Medizin eingeweiht. Christifor verfügt darüber hinaus über visionäre Gaben und erzählt die Geschichte seines Wohnortes am Friedhof vom 15. bis in die ferne Zukunft des 20. Jahrhunderts. Dereinst würde dort die Tscheka, die Geheimpolizei, einziehen; die Friedhofskirche werde durch einen deutschen Bombentreffer dem Erdboden gleichgemacht und in den 1990er Jahren übernehme ein Gartenbaubetrieb mit dem malerischen Namen "Weiße Nächte" das Grundstück.
Service
Evgenij Vodolazkin, "Laurus", Roman, aus dem Russischen von Olga Radetzkaja, Dörlemann Verlag
Evgenij Vodolazkin
"Ehrlich gesagt - das Schreiben einiger Passagen des Buches war schrecklich, vielleicht noch schrecklicher, als sie zu lesen. Und ich gebe auch gerne zu: Als ich 'Laurus' schrieb, habe ich manchmal geweint. Wenn ich schreibe, tue ich das nicht als Philologe - der wird vergessen und tritt erst später wieder auf den Plan: beim Korrigieren."
Im zweiten Teil, dem "Buch der Entsagung", verlässt Arseni seine Heimat endgültig; er zieht als Krankenheiler Richtung Stadt, in Pskow kuriert er eine reiche Bürgerin sowie deren Sohn und genießt alsbald den Ruf eines "großen Arztes". Auf keinerlei materielles Wohlbefinden bedacht macht er sich in Begleitung eines heiligen Narren weiter auf den Weg, mittlerweile unter dem Namen Ustin, nach der toten Geliebten. Im dritten Teil, dem "Buch des Weges", begeben sich Arseni-Ustin und Ambroggio gemeinsamen auf eine zehnjährige Pilgerreise nach Jerusalem, und im abschließenden "Buch der Ruhe" kehrt Arseni-Ustin nach Russland zurück.
Im schillernden Spiel mit Autor und zwischengeschaltetem Erzähler, Berichten in "mittelalterlichem" Tonfall und häufig unvermittelt wechselnden Zeitebenen behält der Verfasser Vodolazkin nicht nur souverän die Übersicht, er hält die Zügel des Textes auch fest in der Hand. Die Lektüre bereite nie Mühe, man weiß immer wo man ist.
