"Beton" in der Kunsthalle Wien

Die Architektur der 1960er und 70er Jahre, in der dank des beliebig gestaltbaren Baustoffs "Beton" formale Explosionen stattfinden konnten, beleuchtet eine Ausstellung der Kunsthalle Wien im MuseumsQuartier. In Form von Skulpturen, Fotoarbeiten und Filmen haben sich 28 Künstler wie Thomas Demand, Olaf Metzel oder Isa Genzken mit diesem Thema auseinandergesetzt.

Mittagsjournal, 23.6.2016

In Würde gealterte Bauwerke

Nach dem Krieg explodieren plötzlich die Formen. Stahlbeton macht es möglich, dass monumentale Gebäude als aussagekräftige Skulpturen entworfen werden. Großformatige Fotoarbeiten von Werner Feiersinger zeigen in Würde gealterte spektakuläre Bauwerke, die mit Rissen und Moos überzogen, malerische Qualitäten aufweisen. Immer wieder erzählen diese Bilder Geschichten von technischen Pionierleistungen vergangener Jahrzehnte.

Aufbruch in eine neue Gesellschaftsform

Zentral in der Ausstellungshalle stehen die viereinhalb Meter hohen Säulen des Parlaments in Oslo, die zeigen was die brutalistische Architektur der 60er Jahre so konnte. Daneben eine wunderschöne Fotoserie vom Frank Lloyd Wrights Ennis House von der Künstlerin Annette Kelm.

Diese Schau will eine Lanze brechen für die ästhetischen Möglichkeiten des Baustoffs Beton, der damals als "echt und rau" gegen die Glattheit der bürgerlichen Schönheitsvorstellungen ins Feld zog und für den Aufbruch in eine neue Gesellschaftsform stand. Das sieht Ausstellungskuratorin Vanessa Müller auch als Grund, warum viele dieser Gebäude vom Abriss bedroht sind.

Tristesse der Betonarchitektur

In dieser Ausstellung sind die Betonliebhaber in der Überzahl. Nur vereinzelt reflektieren Künstler auch die Schattenseiten der Betonarchitektur: Etwa David Maljkovic aus Kroatien, der den Sozialismus mit seinen Plattenbauten als gescheiterte Ideologie präsentiert.

Oder Olaf Metzel, der seine Arbeit von der documenta 8 hier in geänderter Form wieder aufgebaut hat. Es sind in Beton gegossene Eierkartons, die er an die Wand gehängt hat, um die Tristesse der Betonarchitektur der Nachkriegszeit zu dokumentieren. Auch die Betonbauten der Gegenwart begeistern ihn nicht sehr.

Pflug der Bauindustrie

Bis heute wird im Massenwohnbau vor allem Beton als Baustoff eingesetzt, weil dies der billigste Baustoff ist. Daher stechen bei dieser Schau besonders die Sponsoren ins Auge: Hauptsponsor ist der Bauträger BUWOG. Auch das Betonmarketing Österreich hat seinen Beitrag geleistet. Interessant, wie unkritisch sich die Kunsthalle vor den Pflug der Bauindustrie spannen lässt.

Bis Ende August muss Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny entscheiden, ob er den Vertrag von Nicolaus Schafhausen stillschweigend verlängert oder die Position neu ausschreibt.

Service

Kunsthalle Wien - Beton
25. Juni bis 16. Oktober 2016

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