Von Michael Schulte-Markwort

Superkids

Nach dem Pisa-Debakel kannte die Erziehungs- und Bildungsdebatte nur eine Richtung: mehr Leistung, mehr Förderung, mehr Disziplin. Sonst: Abstieg, Krise, Elend. Die entsprechenden Ratgeberbücher sangen das Lob der Tiger-Moms. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet: Der Hamburger Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort hat das Buch "Superkids – Warum der Erziehungsehrgeiz unsere Familien unglücklich macht" geschrieben.

Kontext, 24.6.2016

Michael Schulte-Markwort ist ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. In seiner dreißigjährigen Praxis hat er hunderte von kindlichen und jugendlichen Patienten, vom Baby bis zum 25-Jährigen, sowie deren Eltern erlebt. Seine Expertise, seine Meinung zur Lage der seelischen Gesundheit von Familien, findet Gehör, in Talkshows, Vorträgen und Büchern – auch sein letztes Buch "Burnout Kids" war ein Bestseller.

In seinem neuen Buch "Superkids" schildert er Fallgeschichten von Eltern und Kindern im Hamsterrad der großen Optimierungsmaschine, auf der Jagd nach besseren Leistungen in Schule und Beruf. Es geht um die Familie, die sich als Unternehmen versteht, das – ganz wie ein Unternehmen auf dem Markt – eine gute oder schlechte Performance hinlegt. Zu einem guten Außenauftritt gehört die positive schulische Karriere der Kinder. Die Eltern verstehen sich als Investoren in ein Start-up namens Benjamin, der ihre immense Anstrengung mit seinem Erfolg entlohnen soll. Nur der gilt als Beweis für gute Elternschaft. Insgesamt beklagt Schulte-Markwort die Ökonomisierung von Beziehungen, die auch in der hohen Scheidungsrate von 50 Prozent ihren Niederschlag finde: Wenn mir dieser Partner nicht mehr genügt, suche ich mir eben jemand besseren. Die Trennung der Eltern ist eines der größten Risiken für die gedeihliche Entwicklung von Kindern, betont Schulte-Markwort.

Schulte-Markwort argumentiert in seinem Buch mit dem arg modischen Titel "Superkids" sehr differenziert. Er weiß um die Schädlichkeit eines falsch eindeutigen Rats an die, wie er findet, vielfach zutiefst verunsicherten Eltern und betont immer wieder: Konzentrieren Sie sich auf eine gelingende Beziehung. Beziehung ist Lebendigkeit. Ein dialogisches Kraftfeld. Eine übertreibungsfreie Zone, keine fürsorgliche Belagerung, keine erstickende Liebe, keine pädagogischen Programme statt wahrer Gefühle. Schulte-Markwort versucht, die Empfindsamkeit und Selbstwahrnehmung des Lesers anzusprechen, das Vertrauen in seine Intuition zu stärken. Und wie er an einer Stelle schreibt, macht er sich keine Illusionen: Seine Leser werden in überwiegender Anzahl wohl Leserinnen sein, die Mütte

Service

Michael Schulte-Markwort, "Superkids - Warum der Erziehungsehrgeiz unsere Familien unglücklich macht", Pattloch Verlag