Widerstand gegen neue Gewerbeordnung

Die österreichische Gewerbeordnung stammt im Kern aus dem Jahr 1859 und soll entrümpelt werden - die Regierung will damit im Herbst punkten. Widerstand kommt unter anderem von der Wirtschaftskammer. Experten sagen: Entrümpelung ja, dafür braucht man aber Zeit.

Morgenjournal, 10.9.2016

Im Oktober will Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner seinen Gesetzesentwurf zur neuen Gewerbeordnung vorlegen. Kommen soll eine grundlegende Reform, kein Reförmchen, heißt es. Auf einige Punkte wie schnellere Genehmigungen für Betriebsanlagen kann man sich wohl einigen. Schon der nächste Punkt, der einheitliche Gewerbeschein für die Ausübung aller 440 freien Gewerbe birgt Zündstoff. Wirklich heikel ist die Durchforstung der reglementierten Gewerbe.

80 Gewerbe dürfen derzeit nur mit Befähigungsnachweis ausgeübt werden, meist ist das eine Meisterprüfung. Vom Arbeitsvermittler bis zum Zahntechniker reicht die Liste. Wie viele geschützte Gewerbe braucht es wirklich? Der liberale Think Tank Agenda Austria meint, es würden 15 reglementierte Berufe ausreichen, darunter Baumeister, Installateur, Rauchfangkehrer und Sprengmeister. In Deutschland kennt die bereits liberalisierte Handwerksordnung 41 regulierte Berufe. In diese Richtung denkt auch der neue Direktor des Instituts für Höhere Studien, der Ökonom Martin Kocher. 30 bis 50 regulierte Berufe hält er für realistisch, 15 unrealistisch. Auch sollte man die Reduzierung nicht in einem Schritt vornehmen, sondern zwischendurch evaluieren.

Auch für Michael Böheim vom Wirtschaftsforschungsinstitut gibt es zu viele regulierte Gewerbe - er will sie soweit einschränken, „dass nur mehr solche Bereiche einer strengen Regulierung unterworfen werden sollen, wo es um Gesundheit, Konsumentenschutz und Sicherheit geht.“

Welche Berufe konkret gemeint sind, wollen beide Ökonomen nicht sagen, weil sie damit nur den Widerstand der betroffenen Gruppen provozieren würden.

Für mehr Gründungen und mehr Wettbewerb braucht es aber eine große Reform. IHS-Chef Kocher plädiert daher für ein schrittweises Vorgehen: „Was kann man relativ rasch erreichen? Da gibt es einige Dinge, z.B. die Zusammenführung der freien Gewerbe in einen Gewerbeschein. Das ist auch eine starke Erleichterung für viele Unternehmen. Und dann gibt es Dinge, wie eine gesamte Neuordnung, das ist etwas Längerfristiges.“

WIFO-Ökonom Böheim ergänzt: „Es ist weniger entscheidend, dass die Reform schnell passiert, sondern dass sie passiert. Für eine große Reform kann man sich aus meiner Sicht durchaus ein oder zwei Jahre Zeit lassen.“

Bei einer großen Reform fürchtet aber die Wirtschafts-kammer um ihre Einnahmen. Jetzt braucht ein Unternehmer oft mehrere Gewerbescheine - und zahlt für jeden extra Kammerumlage. Wird ein einheitlicher Schein für alle freien Gewerbe eingeführt, trifft das die Kammer ins Mark - Kocher schätzt den Einnahmen-ausfall auf „eine zweistellige Millionen-Zahl, irgendwo im Bereich von 20, 30, 40 Millionen Euro möglicherweise.“

Die Wirtschaftskammer selbst nennt keine Zahl. Während die Regierung weiter Tempo macht: Nächste Woche tagt im Wirtschaftsministerium wieder die Reform-Arbeitsgruppe. Die Wirtschaftskammer muss Begründungen für die Beibehaltung der reglementierten Gewerbe vorlegen. Und prüft nebenbei Szenarien für eine Zukunft mit weniger Gewerbescheinen und weniger Kammerbeiträgen.