Wien Museum zeigt "Sex in Wien"

Auf immer neuen Wegen gräbt das Wien Museum in der Geschichte der Stadt. In einer heute beginnenden Ausstellung steht die Beziehung zwischen Sexualität und Stadt im Mittelpunkt. "Sex in Wien" heißt die Schau deshalb auch ganz explizit, und sie zeigt welche Vorreiterrolle die oft als bieder geltende Donaumetropole in vielen Bereichen gespielt hat.

Morgenjournal, 14.9.2016

"Für Spanner wenig zu sehen"

Als Matti Bunzl sich für die Leitung des Wien Museums bewarb, präsentierte er bereits die Idee zur Ausstellung "Sex in Wien". Die Geschichte der Sexualität sei zwar ein junges Fach, so Bunzl, aber ganz wesentlich zum Verständnis einer Gesellschaft und ihrer Entwicklungen. Dass die Ausstellung erst ab 18 zugänglich ist, so Bunzl weiter, solle aber keine falschen Erwartungen wecken.

"Für Spanner ist relativ wenig zu sehen. Wir haben zwar 550 Objekte, aber die sind wissenschaftlich ausgewählt um konkrete Fragestellungen über Machtstrukturen, tägliches Leben, die verschiedenen sozialen Klassen nachzuerzählen - durch die Linse der Sexualität. Mit einem nostalgischen Sexmuseum, wie es das im Prater gab, hat unsere Ausstellung sehr wenig gemein."

Service

Wien Museum - Sex in Wien. Lust. Kontrolle. Ungehorsam
15. September 2016 bis 22. Jänner 2017
Filmarchiv - Sex in Wien
17. September bis 19. Oktober 2016

Vorreiterrolle um 1900

Schon seit dem späten 19. Jahrhundert war Wien federführend in der Erforschung der Sexualität. Sigmund Freud und Arthur Schnitzler fallen einem auf Anhieb ein, die beiden waren aber bei weitem nicht die einzigen, die sich auf dem Gebiet verdient gemacht haben. "Eine wichtige Figur ist der Psychiater Richard von Krafft-Ebing, der die erste wissenschaftliche Typologie der sogenannten perversen Sexualitäten herausgegeben hat, 'Psychopathia sexualis'", so Bunzl. "Aber auch der Erfinder des Wortes Homosexuell, Karl Maria Kerpen, war in Wien geboren."

Die Vorrangstellung Wiens beschränkte sich jedoch nicht auf die wissenschaftliche Forschung, wie einige Kurzstummfilme in der Ausstellung belegen. Kuratorin Martina Nußbaumer: "Wien war um 1900 eines der wichtigsten europäischen Zentren der erotischen und pornografischen Film- und Fotoproduktion."

Vergewaltigung in der Ehe ab 1989 Straftat

Vom 19. Jahrhundert bis hinauf in die Gegenwart reichen die ausgestellten Exponate. Wie sich die Sprache der Kontaktanzeigen im Laufe der Zeit verändert hat, kann man da etwa nachlesen oder erfahren, dass es gerade die vermeintlich unverfängliche Milchbar war, die in der Nachkriegszeit als Rendezvous-Zone hoch im Kurs stand.

Dabei betet die Schau die Ereignisse aber nicht chronologisch herunter, sondern erzählt ihre Geschichte listig und klug in den drei Blöcken vor, beim und nach dem Sex. Das erlaubt neue Einsichten und Querverbindungen. So etwa, dass die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1989 ein strafrechtliches Delikt darstellt, obwohl sie bereits in den 1920er Jahren in fortschrittlichen Medien heftig diskutiert wurde.

Filmreihe im Metro Kinokulturhaus

Begleitend zur Ausstellung "Sex in Wien" wird im Metro Kinokulturhaus eine gleichnamige Filmreihe gezeigt. Zu sehen sind dort Aufklärungsfilme aus der Zwischenkriegszeit aber auch der erste Orgasmus der Filmgeschichte, gespielt von Hedy Lamarr im Skandalfilm "Ekstase" aus dem Jahr 1933.

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