Biedermeier-Schau im Belvedere

Der Frage "Ist das Biedermeier?" widmet sich die große Herbstausstellung im Unteren Belvedere. Zu sehen sind über 100 Gemälde und Möbel aus der Zeit zwischen 1830 und 1870, darunter Porträts, Landschafts- und Genrebilder, aber auch Sitzmöbel aus Ländern der Donaumonarchie.

Der Emir vom Libanon

József Borsos, Der Emir vom Libanon (Porträt von Edmund Graf Zichy), 1843 (Ausschnitt)

Museum of Fine Arts, Budapest, Tibor Mester

Mittagsjorunal, 20.10.2019

Irreführende Bezeichnung

Weiland Gottlieb Biedermeier, eine Kunstfigur, die zwei deutschen Kolumnisten als Pseudonym diente, wurde zum Namensgeber einer ganzen Epoche. Dem stellt die Kuratorin Sabine Grabner ihre titelgebende Frage entgegen, denn: "Der Begriff wirft falsche Tatsachen auf, vor allem Wien war nicht bieder."

Vielmehr sei die Gesellschaft durch Zensur, Spitzelwesen und politische Unruhen zum Schweigen und zum Rückzug ins Private gezwungen worden, so Grabner, die eine deutliche Parallele zu heute sieht: "Wieder gibt es einen Rückzug in die Familie. Wahrscheinlich rührt dieses Bedürfnis daher, dass, wenn rundherum alles kracht und unsicher ist, man sich auf sichere Orte verlassen möchte."

Trautes Heim als Zufluchtsort

Und tatsächlich, viele der ausgestellten Familienporträts könnten ebenso gut einem TV-Spot des Jahres 2016 entspringen. Großformatige Darstellungen häuslicher Familienidylle, beschauliche Landschaften, Porträts von bürgerlichen Unternehmern oder Bettlern hängen hier nebeneinander. Neu daran war im 19. Jahrhundert die Darstellbarkeit der Bilder, so Grabner. Waren es zuvor Historienbilder mit moralischem Anspruch, so erlangten nun bürgerliche Darstellungen erstmals Bildwürde.

Spiel mit Status im Porträt

Vertreter des Bürgertums posierten selbstbewusst, Adelige gaben sich bürgerlich und so war etwa das Porträt einer Gräfin von dem einer Wirtin oder der Ehefrau eines Fabrikanten kaum zu unterscheiden. Gleichwertig entstanden daneben auch Darstellungen sozialer Randgruppen, etwa in Franz Eybls "Der Bettler".

Während aber das politisch-soziale Biedermeier mit der Revolution von 1848 eine deutliche Zäsur erlebte, entwickelte sich die Kunst der 1830er bis 1860er Jahre kontinuierlich weiter, etwa in der Lichtgestaltung, wie späte Werke Waldmüllers eindrucksvoll zeigen. "Er schaffte es, eine Abendstimmung so plastisch darzustellen, dass die Blätter im glänzenden Licht förmlich flirrten und vibrierten", so Grabner.

Weltweit größte Biedermeiersammlung

Zu sehen sind in der Schau über hundert Werke aus dem Entstehungszeitraum 1830 bis 1860 von Künstlern aus Ländern der Donaumonarchie, die Hälfte davon aus eigenen Beständen des Belvedere - es besitzt die weltweit größte Sammlung von Biedermeier-Werken. Manche davon werden nur selten aus den Depots geholt, etwa Albert Zimmermanns "Sonnenuntergang am Hintersee in Berchtesgaden" von 1858.

Hussleins Abschied und Nachhall

Es ist die letzte große Ausstellung unter der Direktorin Agnes Husslein, bevor Anfang 2017 Stella Rollig die Leitung des Hauses übernimmt. Über ihre Nachfolgerin will Husslein sich nicht äußern, nur so viel: "Ich habe auch das Programm des gesamten Jahres 2017 programmiert, das Publikum wird also noch eine Weile länger meine Handschrift in den Ausstellungen spüren."

Nestroyzeit statt Biedermeier?

Parallel zu Schau bringt ein umfangreicher Katalog neueste Forschungsergebnisse im Umgang mit der umstrittenen Epoche und vor allem mit ihrer Bezeichnung. Kuratorin Sabine Grabner begab sich im Rahmen der Ausstellung auf die Suche nach einem möglich anderen Begriff, der die sozialen Aspekte und zugleich die literarische und künstlerische Dimension mit einschließen könnte: "Dabei bin ich drauf gekommen, dass Nestroy seine Zeit auf großartige Weise dargestellt hat, in den zahlreichen Stücken und in seinen Kommentaren. Warum also nicht Nestroyzeit?"

Service

Belvedere - Ist das Biedermeier?
21. Oktober 2016 bis 12. Februar 2017