Strand von Scheveningen (Ausschnitt)

APA/AFP/VAN GOGH MUSEUM/HANDOUT

Die Mafia und die Kunst

Ende September hat die Polizei von Neapel bei einer Razzia im Haus eines Camorra-Bosses zwei wertvolle Bilder von Vincent Van Gogh entdeckt. Die beiden Gemälde waren 2002 aus dem Van Gogh Museum in Amsterdam gestohlen worden. Ihr Wert soll die 100 Millionen Marke übersteigen. Dieser Fund ist ein Beispiel für das vielschichtige Verhältnis der Mafia zur Kunst. Einerseits soll damit Geld lukriert werden, andererseits gibt es unter den Mafiosi ausgesprochene Kunstliebhaber.

Strand von Scheveningen (Ausschnitt)

Van Goghs "Strand von Scheveningen" (Ausschnitt) wurde nach 14 Jahren gefunden

APA/AFP/VAN GOGH MUSEUM

Kulturjournal, 28.10.2016

Nicht nur aus Liebe

"Die Camorra hat immer auch in Kunst investiert. Die Camorra hat immer Kunst stehen lassen, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Der Fall der beiden Gemälde von Van Gogh ist keine Ausnahme, im Gegenteil", sagt der international bekannte Anti-Mafia-Journalist Roberto Saviano. Die Bosse haben ein vielschichtiges Verhältnis zu Kunstgegenständen von Wert.

Roberto Saviano: "Auftragsdiebstähle für Kunstsammler, Raubkunst als Investition oder aber auch Kunstdiebstahl aus Liebe zu ganz bestimmten Kunstwerken. Bosse der italienischen Mafia sind nicht einfach dumme Kriminelle. Unter ihnen gibt es auch Personen, die Kunstliebhaber sind oder bestimmte Kunstwerke verehren und besitzen wollen. Luigi Vollaro, Kalif genannt, war ein echter Kunstfreund. Er selbst wurde sogar Opfer von Kunstdieben."

Zeitgenössisches und Sakrales bevorzugt

Es sind Personen wie Vollaro, die für sich selbst Kunst klauten: in Kirchen, in Privathäusern und in Museen. Mafiasoziologen haben herausgefunden, dass die Bosse der süditalienischen Kriminalität vor allem zwei Kunstrichtungen bevorzugen: zeitgenössisches Kunstschaffen und Sakralkunst.

Für internationales Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang vor einigen Monaten die Nachricht, dass in der vom Staat beschlagnahmen Villa eines Bosses aus Neapel ein Museum eingerichtet wurde - mit den Werken zeitgenössischer Maler, die der Boss im Laufe seiner kriminellen Karriere gesammelt hatte. Auch in Rom und Mailand entdeckten Ermittler der Polizei in den Privatvillen von Mafiabossen große Kunst, vor allem von Malern des 20. Jahrhunderts, darunter auch große Namen wie Giorgio de Chirico und Picasso.

Besonders religiöse Bosse, und die finden sich bei der traditionell ausgerichteten sizilianischen Cosa Nostra, sammeln vor allem religiöse Kunst. Selbst in den Verstecken von Bossen, die bei deren Verhaftung durchsucht wurden, entdeckte die Polizei Kruzifixe und Gemälde mit religiösen Sujets von großem Wert: zumeist barocke Kunstwerke, die entweder gestohlen oder auch, aber eher selten, legal erworben worden waren.

Caravaggios verschwundenes Meisterwerk

Bei dem Thema Mafia und Kunst denkt man in Italien immer wieder auch an ein in der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1969 in Palermo gestohlenes Kunstwerk von Caravaggio."Anfangs", sagt Caravaggio-Experte Claudio Strinati, "dachte man, dass dieses ziemlich große Gemälde mit dem Titel 'Geburt Christi mit den Heiligen Lorenz und Franz von Assisi', fast 3 mal 2 Meter groß, schnell wieder auftauchen würde, gegen ein hohes Lösegeld, aber das war nicht der Fall. Jahrelang tappte man im Dunkeln."

Das aus dem barocken Oratorio di San Lorenzo im Herzen Palermos gestohlene Meisterwerk Caravaggios tauchte bis heute nicht wieder auf. Ermittler vermuten inzwischen, dass es irgendwo auf Sizilien bei einem Mafiaboss aufbewahrt wird, einem, so Kunsthistoriker Strinati, Liebhaber dieses religiösen Motivs. Heute gehört das verschwundene Gemälde Caravaggios zu den zehn bedeutendsten Kunstwerken der Welt, die gestohlen wurden und seitdem verschwunden sind.