Sci-Fi-Thriller "Stille Reserven"

Dass Menschen jahrelang künstlich am Leben gehalten werden, führt in der gegenwärtigen Medizin immer wieder zu heftigen Kontroversen. Im österreichischen Science-Fiction Film "Stille Reserven" ist das aber ganz selbstverständlich die Voraussetzung für ein zweifelhaftes Geschäftsmodell von Versicherungen.

Morgenjournal, 24.10.2016

Den Tod soll man nicht verachten, denn viel schlimmer ist es, nicht sterben zu können. Die oft ironisch vorgebrachte Klage in Vampirfilmen wird im österreichischen Science-Fiction-Thriller "Stille Reserven" in ökonomisches Kalkül übersetzt. Denn wer in Wien in nicht allzu ferner Zukunft verschuldet stirbt, wird selbst post mortem für den Schuldendienst herangezogen, also beim Ableben künstlich in einen körperlichen Dämmerzustand versetzt, die Organe sodann ausgebeutet. Stille Reserven quasi. Nur eine Todesversicherung kann das verhindern, den Tod also garantieren.

Primat der totalen Kontrolle

Versicherungen sind hier mächtige Konzerne, die eigentliche Macht im Staat, geformt nach den Prinzipien des politisch Autoritären. Strenge Hierarchien, bedingungslose Loyalität und Anpassung, keine Fehlertoleranz, das Primat der Wirtschaftlichkeit und totalen Kontrolle, die Ausschaltung des Ungewissen. Regisseur Valentin Hitz: "Der Trend zum Versichern hat in den letzten zwanzig Jahren in zweierlei Hinsicht zugenommen, einmal was man unter ´Security´versteht und zudem auch das Versicherungsgeschäft selbst."

Von "Metropolis" bis "Gattaca"

Versicherungsagent Vincent Baumann (Clemens Schick) ist der ideale Repräsentant dieses Systems: zielstrebig, karriereorientiert, Durchhaltvermögen, skrupellos. Doch wo eine Übermacht, da ist im Kino oft auch ein Widerstand. Eine Rebellengruppe mit einer resoluten Anführerin (Lena Lauzemis) kämpft um das Recht auf den Tod. "Stille Reserven" bewegt sich narrativ und gestalterisch in bekanntem Genrekontext, von "Metropolis" bis "Brazil" von "Fahrenheit 451" bis "Gattaca". Auch Valentin Hitz taucht seine negative Gesellschaftsutopie in das äußere Erscheinungsbild einer kalten Büro- und Technokratie, farbig und dennoch dominiert die Farblosigkeit.

Ambivalenz des medizinischen Fortschritts

Wenn auch in der Zukunft angesiedelt, so reflektiert Valentin Hitz schon die Gegenwart, die er, so Hitz, "vor allem zuspitzt", also die Berechen- und damit Ausbeutbarkeit von Individuen durch exakte Persönlichkeitsprofile, die Ambivalenz des medizinischen Fortschritts, die Gefahr biometrischer Überwachung, die technologische Fundierung einer Klassengesellschaft. So düster das Szenario auch sein mag, vor den Errungenschaften der menschlichen Leidenschaft, der Liebe und der Kunst muss am Ende sogar ein brillanter, wenn auch fehlgeleiteter Intellekt kapitulieren.