Romanverfilmung "Gleißendes Glück"

"Original Bliss" lautete 1997 der Originaltitel eines Romans der schottischen Schriftstellerin A.L. Kennedy, der drei Jahre später unter dem Titel "Gleißendes Glück" auf Deutsch erschienen ist. Nun hat der deutsche Regisseur Sven Taddicken den Ausbruch einer Hausfrau aus ihrer beengten Existenz von Glasgow nach Norddeutschland verlegt und daraus einen Film gemacht.

Martina Gedeck

THIMFILM

Morgenjournal, 6.12.2016

Wo ist Gott? Helene Brindel (Martina Gedeck) ist verzweifelt. Woran soll sie sich denn festhalten im Leben, wenn sie auch noch ihren Glauben verliert. Am Dasein als Hausfrau, an den täglichen Putzritualen in der 70er Jahre Bungalow-Muffigkeit ihres Hauses, am Schreiben von Einkaufslisten? Oder gar an den Unfreundlichkeiten ihres Ehemannes?

Porno-Junkie

Ein Lebensratgeber-Buch führt die Frau Mitte 40 in die Arme des Psychologieprofessors Eduard E. Gluck (Ulrich Tukur) - an der Oberfläche ein Charmeur mit der Tendenz zum eitlen Selbstdarsteller, die aber auf einem morschen Fundament beruht. Vom Gluck zum Glück da klafft nämlich auch ein große Lücke, gefüllt mit abartiger Pornografie. Gluck ist ein Porno-Junkie. "Das ist ein tief in seiner eigenen Seele verlorener und verwundeter Mensch, der ein wandelnder Widerspruch ist", meint Schauspieler Ulrich Tukur.

Ankämpfen gegen die Selbst-Entfremdung

Wie diese Möchte-Gern-Heilige und der verschämte Sünder sich annähern, das spielt der deutsche Regisseur Sven Taddicken als Prozess des Wiederfindens der eigenen Persönlichkeiten durch, als Ankämpfen gegen die Selbst-Entfremdung, die sich die Figuren über die Jahre zugemutet haben. "Eigentlich geht es darum", so Ulrich Tukur, "dass man in diesem kurzen Leben Glück erlangt, also eine Art Sorglosigkeit, die sich aber immer nur für Sekunden einstellt. Das ist das gleißende Glück."

Notwendigkeit eines Bruchs

Das vordergründig Rohe, Gewalttätige und Geschmacklose bringt das Zärtliche und die Fragilität dieser Annäherung umso deutlicher hervor. Die Notwendigkeit eines Bruchs zuvor ist offensichtlich. Dafür findet der Film ein treffendes Bild, wenn Helene ihrem Ehemann ein sogenanntes Buddelschiff, also ein Schiff in einer Flasche schenkt. Irgendwann liegt es in Scherben, wieder mal eheliche Handgreiflichkeiten, eine Abkürzung in die Freiheit.

Heitere Empathie

Regisseur Sven Taddicken hält den Sarkasmus der Buchvorlage von A.L. Kennedy in Grenzen, kippt die Stimmung von nüchtern-depressiver Realitätsbetrachtung über angeregte Neugierde in heitere Empathie. In Letzterer lässt sich für Helene und Eduard das Gleißende Glück finden, also auch der Glaube an sich selbst. Und Gott hat damit rein gar nichts mehr zu tun.