And The Oscar goes to...?

Kenneth Lonergans Familiendrama "Manchester by the Sea" gilt als einer der Mitfavoriten für den heurigen Oscar als bester Film, Casey Affleck wird als einer der besten Hauptdarsteller gehandelt.

"Manchester by the Sea", so lautet der Name einer rund 6000 Einwohner zählenden Küstenstadt an der amerikanischen Ostküste, rund eine Autostunde von Boston entfernt. Dort siedelt der US- Regisseur Kenneth Lonergan sein gleichnamiges Drama an. Im Mittelpunkt steht ein Mann Mitte der 30, der durch den Tod seines Bruders aus seiner Lebenslethargie gerissen wird.

Auf den ersten Blick ist Lee Chandler (Casey Affleck) das was man gemeinhin einen Grantler nennt. In seinem Job als Hausmeister in Boston lässt er es oft an Umgangsformen fehlen, in einer Bar gibt er sich abweisend, zettelt schon mal eine Schlägerei an. Chandler will einfach in Ruhe gelassen werden. Unfreiwillig Bewegung kommt in das Leben des Mannes, als sein Bruder stirbt. Nun soll er Verantwortung übernehmen, als Vormund für seinen pubertierenden Neffen. Freilich ziert er sich.

Familientragödie

Doch man ahnt es schon früh. Diesen Gemütszustand zwischen Aggression, Apathie und selbstgewählter Isolation hat die Natur Chandler nicht von Haus aus mitgegeben. Wie und warum also ist dieser Mann in die drückende Teilnahmslosigkeit an seinem Leben gestürzt? In behutsamen Rückblenden rollt Regisseur Kenneth Lonergan eine Geschichte auf, in der eine beiläufige Leichtsinnigkeit eine wahre Familientragödie verursacht. Chandler hat also eine große Schuld auf sich geladen.

Organische Erzählstruktur

Ausgerechnet der Tod, jener des Bruders, bringt Chandler wieder zurück ins Leben. Der Neffe erweist sich anfangs als renitent, nach Boston übersiedeln will er schon gar nicht. Regisseur Lonergan fasst die langsame Annäherung zwischen den Generationen in eine ungemein organische Erzählstruktur, verschachtelt eine Chronologie der Gegenwart mit einer Chronologie der Vergangenheit, also eine Chronologie des Unglücks mit einem Prozess des Heilens. Das Vertrauen zwischen Ersatzvater und Teenager wächst. Es gehe ihm, so Kenneth Lonergan vor allem um Wahrhaftigkeit, damit ließe sich auch unangebrachte Sentimentalität vermeiden.

Emotionale Verdichtung

Mit gezieltem Musik- und Zeitlupeneinsatz verdichtet Lonergan immer wieder den Schmerz seiner Figuren, etwa in einer Begräbnisszene, deren emotionale Komplexität sich in Worten ohnehin nicht wiedergeben lässt. "Machester by the Sea" demonstriert also auch beispielhaft, wo und wann Dialoge kapitulieren es den Bildern überlassen müssen, das Kino und das Leben zur Deckung zu bringen.