Musical "Grimm!" im Theater der Jugend

Dass man das alte Märchen "Rotkäppchen" der Gebrüder Grimm durchaus tagesaktuell und mit einer politischen Botschaft versehen für Kinder aufbereiten kann, wird ab Donnerstag im Theater der Jugend unter Beweis gestellt.

Da findet die Premiere des Musicals "Grimm! - Die wirklich wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf" statt. Die Musik stammt von Thomas Zaufke, der Text von Peter Lund, die Uraufführung fand vor zwei Jahren im Grazer Theater Next Liberty statt, danach wurde das Stück in der Neuköllner Oper Berlin mit Studenten der Universität der Künste gezeigt. Und auch in Wien, wo Werner Sobotka Regie führt, sind es Studenten der Kunst und Musik Privatuniversität der Stadt Wien (das ehemalige Konservatorium Wien), die auf der Bühne stehen.

Rotkäppchen und Wolf in Leder

Lukas Weinberger als Grimm, Florine Schnitzel als Dorothea

RITA NEWMAN

Kulturjournal, 15.2.2017

Lauern auf den coolen Wolf

Es beginnt zwar mit "Es war einmal", aber schon in den ersten Sekunden des Stückes wird klar, dass man das Märchenbuch getrost zuklappen kann. Rotkäppchen ist hier weder angepasst noch brav, in den Wald will sie nur wegen dem coolen Wolf im Lederoutfit. Das Dorf, in dem sie lebt, wird von schrillen Tieren bevölkert: Mutter Geiß ist eine gestresste Alleinerzieherin, die Lady Gaga ähnlich sieht; die drei kleinen Schweinchen sind weder dick, schlau noch dumm, haben aber sonst allerhand Probleme und der alten Hofhund Sultan, der ein wenig an Van der Bellen erinnert, hat ein dunkles Geheimnis.

Deutungen im Wandel der Zeit

Das Märchen vom "Rotkäppchen" wurde schon vielfach gedeutet und interpretiert. Psychoanalytisch, feministisch, biologisch oder juristisch - das rote Käppchen war Symbol der Menstruation, der Gang durch den Wald das Bild für den Eintritt in die Pubertät, und der Wolf das Sinnbild des männlichen Verführers, des Außergesetzlichen und Animalischen. Und fast ebenso oft wurde das Märchen - das zu den bekanntesten Erzählungen Europas gehört - parodiert, verändert, neu erzählt und mit wechselnden moralischen Botschaften aufgeladen.

Für die Eltern: aktuelle Seitenhiebe

"Die Märchen stimmen nach wie vor, ich finde schön, wenn man den Aktualitätsbezug und die Dinge, die in den Märchen heute im Jahr 2017 drinnen sind, herausholt und unterstreicht", sagt Regisseur Werner Sobotka, der das satirische Musical von Peter Lund und Thomas Zaufke noch einmal überhöht. Mit Doppeldeutigkeiten und sexuellen Anspielungen wird nicht gespart, und für Erwachsene baut der ehemalige Kabarettist aktuelle Seitenhiebe ein.

Schweinchen Schlau ähnelt Donald Trump, und die Geschichte des feigen Hundes wird dank der Medien zur Fake-News-Heldengeschichte aufgeblasen. Das entbehrt nicht der Komik, wirft aber die Frage auf, ob das auch sechsjährige Kinder witzig finden.

"Ich finde, es ist nicht notwendig, dass die mitbekommen: 'ah, das soll der Trump sein' und 'alternative Fakten, das ist lustig, das hab ich in den Nachrichten gehört' - davon geh ich nicht aus. Die sollen eine richtige Geschichte mitbekommen, die logisch und ganz nachvollziehbar ist, auch für einen Sechs-, Sieben-, Achtjährigen", so Sobotka.

Studierende im Crashkurs

Die Botschaft ist alt aber gültig: Keine Angst vor dem Fremden, Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Mut, den eigenen Weg zu gehen. Das wird schwungvoll, laut und manchmal ein wenig atemlos über die Rampe gebracht.

Umgesetzt wird das Stück von Musical-Studenten der Musik und Kunst Privatuniverstiät der Stadt Wien, in der Sobotka unterrichtet. Die Arbeit mit dem zweiten und dritten Jahrgang - jungen Menschen Anfang 20 - sei spannend und herausfordernd gewesen: "Das sind Leute, die erst eineinhalb bis zwei Jahre in der Schule sind und die kaum Bühnenerfahrung und Routine haben. Mit denen in einem Crashkurs eine Produktion auf die Bühne zu stellen, die wettbewerbsfähig ist, ist eine unglaubliche Leitung. Ich bin sehr stolz auf das Ergebnis."

Augenzwinkernd dekonstruiert

Gut - Böse, Schwarz - Weiß, Oben - Unten - die Eindimensionalität, die Märchen bei kleinen Kindern so beliebt machen, wird hier aufgehoben, die Geschichte augenzwinkernd dekonstruiert. Das macht das Stück prinzipiell für ältere Kinder verständlicher. Wer aber das Märchenbuch zur Seite schiebt und sich auf eine völlig andere Geschichte und Botschaft einlässt, dem sei das ohrwurmreiche Musical empfohlen.

Service

Das Musical "Grimm!" hat morgen Nachmittag im Wiener Renaissancetheater in der Neubaugasse Premiere.
Theater der Jugend - Grimm! Die wirklich wahre Geschichte von Rotkäppchen und ihrem Wolf