"Magic Life" - neues Album von Bilderbuch

Vor rund drei Jahren explodierte die österreichische Popszene. Plötzlich war vom österreichischen Popwunder die Rede. Wanda, Bilderbuch, Kreisky, Ja, Panik – sie alle begeisterten Fans und Feuilleton. Die Energie von damals beginnt sich nun zu kanalisieren - innerhalb des gar nicht homogenen Wunders werden die Unterschiede immer deutlicher sichtbar.

Maurice Ernst

APA/HERBERT P. OCZERET

Heute veröffentlichen Bilderbuch ihr neues Album "Magic Life". Nach dem extrem erfolgreichen Vorgänger "Schick Schock" keine leichte Übung. Doch Bilderbuch bleiben sich treu - indem sie wieder einmal überraschen. "Magic Life" ist nämlich alles andere als ein Neu-Aufguss der Erfolgsformel. Es ist ein sperriges, ein mutiges Album, das gar kein Hit-Feuerwerk sein will.

Kulturjournal, 17.2.2017

Bilderbuch haben den Blues

2017 haben Bilderbuch den Blues. Die Band gibt sich auf "Magic Life" in tiefstes Blau getaucht. Wo die Vorgängerplatte "Schick Schock" noch viel Glamour und Großspurigkeit walten ließ, ist "Magic Life" das Album für den Morgen danach. Der Hangover wird aber durch die funky Grundstimmung der Band gut abgefedert. "Peitsch mich Baby, ich brauch Hits", singt Maurice Ernst um sich kurz danach zu fragen - "hast du noch Sprit?"

Wie geht’s weiter nach einem Erfolg, der wohl auch rat-, und sprachlos macht? In der Bilderbuch-Sprache lautet die Frage: "Was jetzt, ha? Was tun?" Wie umgehen mit Vergänglichkeit, so lautet die Frage. Die Antwort der Band: Ehrlichkeit. Mut zur eigenen Unsicherheit zu stehen und diese Unsicherheit mit den gesellschaftlichen Beben unserer Zeit zu synchronisieren. Abstiegsangst, Migration, politische Unsicherheit. Der frühere Klosterschüler Ernst hat mit seiner katholischen Sozialisierung spätestens jetzt endgültig gebrochen.

Keine Instant-Befriedigung

Das Album fordert - die Instant-Befriedigung von "Schick Schock" gibt’s hier nicht. Stattdessen verlangt es, sich einzulassen. Es ist fragmentarisch, nervös, es springt von poliertem Pop zur Songskizze. Auf den ersten Blick wirken die Texte auf "Magic Life" wie eine zugespitzte Version der exaltierten Pose des Vorgängeralbums. Cashflow, Porsche, Success, Marmorbad, Prosecco, das klingt nach dem Flirt mit der Glamour-Popwelt.

Doch der Kontext hat sich geändert - hinter dem Schein lockt der Abgrund. Maurice Ernst kultiviert auf "Magic Life" seine Kunstsprache. Worte wie Pop-Art Gemälde, großflächig, quietschbunt und dabei doch kritisch. Seine Wort-Embleme leuchten wie die Tags eines Sprayers, sie sind kickende Kürzel für Atmosphäre und Gefühle. In den Songtexten triumphiert das unmittelbare Gefühl über das semantische Nettogewicht.

Tänzchen am Abgrund statt Komfortzone

Impressionistisch könnte man das nennen. Der Blick geht jedenfalls nach innen und auch wenn die Worte fast großkotzig wirken - die Gefühle sind sehr persönlich, fast schon intim. Maurice Ernst kennt die Schnelllebigkeit von Glück und wirtschaftlichem Erfolg auch von seiner eigenen Familie.

"Magic Life" ist eine Platte, die das Jetzt einfangen will. Bilderbuch verlassen die eigene Komfortzone und gehen nach vorne, verunsichert vielleicht - aber keinesfalls sich wiederholend. Der Blick zurück mag angenehmer sein, er mag sich besser verkaufen, weil er die Kraft hat einzulullen - die Auseinandersetzung aber liegt vor und nicht hinter einem, so Maurice Ernst.

Das neue Album wagt ein launiges Tänzchen am Abgrund. Es nimmt die Brüche wahr, nimmt den Hörer aber auch an der Hand und murmelt, dass Verunsicherung ok ist und das Leben doch auch gut - und vor allem funky. Für alle, die mitgehen wollen, legen Bilderbuch eins drauf.

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