Nebenan: Libanon

Nach Marokko und Georgien ist der Libanon die dritte Station der Erkundungen in Europas Nachbarschaft.

Das Konzept der nebenan-Unternehmung scheint ja einfach: Als europäisch denkende Menschen bemerken wir, dass man von den Nachbarn, von denen Europa umgeben ist, erstaunlich wenig weiß. Deswegen bietet Ö1 jeweils eine Art Radiopuzzle zu den verschiedensten Aspekten eines Landes an.

Viel Musik, natürlich Literatur und Kulturgeschichte, auch Wirtschaftsthemen und politische Analysen zum Libanon stehen deswegen wieder auf dem Programm. Aber bei jedem der betroffenen Länder stellen sich ganz andere Fragen. Der Libanon beispielsweise ist politisch gesehen keine viele Jahrhunderte alte kulturelle Einheit wie Marokko und Georgien es trotz aller Fremdherrschaftsperioden sind.

Ein Name mit Symbolkraft

Der "Libanon" als politisches Gebilde ist ein Kind des 19. und schlussendlich des Kolonialismus des frühen 20. Jahrhunderts, obwohl die Region eine vieltausendjährige Geschichte aufweist. Sogar das Wort Bibel verdankt die Welt der im heutigen Libanon liegenden Stadt Byblos. Deren Name wurde aufgrund des florierenden Geschäfts als Hauptumschlagsort des neuen Materials Papyrus und der damit einhergehenden Verbreitung neuer Schriftzeichen in der westlichen Welt zum Synonym für das neue Schriftmedium, auf Griechisch "biblion" und schlussendlich eben "Bibel".

Aber wir denken heutzutage bei der Erwähnung des Libanon und natürlich insbesondere von Beirut weniger an antike Geschichte, denn an Bürgerkrieg und Flüchtlingskrisen. Es ist auch die aufgeladene Symbolkraft des Namens, die der Stadt Beirut aus der Ferne, auch wenn man sonst nichts von ihr weiß, seit Jahrzehnten eine besondere Bedeutung verleiht.

Beirut - ein Name als Synonym für Desaster

Eine ganze Generation im Westen ist damit aufgewachsen, vom Libanon als der prosperierenden Schweiz des Nahen Ostens zu hören. Für die Generation danach war alles anders: Ende der 1970er Jahre, die New York Times schreibt über das Katastrophale der Zustände des eigenen Bildungssystems und titelt "The Beirut of Education". Der Name der Stadt war zum Synonym für Desaster geworden.

Und als 2006 nach längerer Zeit ohne Krieg doch wieder kurzfristig offener Krieg ausbricht, reagiert die nun dort lebende Generation von Künstlerinnen und Künstlern sofort, wütend, verzweifelt und sarkastisch wie der Zeichner und Musiker Mazen Kerbaj, in dessen Weblog folgender berühmt gewordener Eintrag zu einem downloadbaren MP3-File zu finden ist: "Starry Night, a minimalistic improvisation by mazen kerbaj / trumpet and the the israeli air force / bombs. recorded by mazen kerbaj on the balcony of his flat in beirut, on the night of 15th to 16th of july 2006".

Mazen Kerbaj ist in den Libanon-Reportagen der Sendereihe Zeit-Ton zu hören. Wir wünschen viel Erkenntnis und gute Unterhaltung.