"Silence" - neuer Film von Martin Scorsese

Dass der für seine Mafia-Dramen bekannte US-Regisseur Martin Scorsese in einem Film die Religion in den Mittelpunkt stellt, ist nur auf den ersten Moment ungewöhnlich.

Denn mit Filmen wie "Die letzte Versuchung Christi" und "Kundun" hat sich der 74-jährige New Yorker bereits in der Vergangenheit mit der moralischen Problematik religiöser Ansprüche auseinandergesetzt. So auch in seinem neuen Film "Silence".

Liam Neeson

2016 Kerry Brown, Concorde Filmverleih GmbH

Morgenjournal, 1.3.2017

Ein kurzer Tritt auf ein Bildnis von Jesus oder auf ein Kruzifix, schon ist die Folter vorbei und der Tod abgewendet. Denn mit dieser Geste wurden im 17. Jahrhundert in Japan Christen von Feudalherren gezwungen ihrem Glauben zu entsagen. Zwei Priester (Andrew Garfield und Adam Driver) brechen 1638 von Portugal auf, um dennoch gegen jeden Widerstand den christlichen Glauben in Asien zu verbreiten, schon bald geraten sie selbst in Schwierigkeiten.

Historische Tatsachen

Wie viel sind Menschen bereit für ihren Glauben zu geben? Wie viel ist einem der Glaube wert? Letztlich sogar ein oder mehrere Menschenleben? Rund um derartige Gewissensfragen hat Regisseur Martin Scorsese den auf historischen Tatsachen beruhenden Roman "Silence" des japanischen Autors Shusaku Endo verfilmt, seit Jahrzehnten ein Herzensprojekt, das Scorsese seit Ende der 1980er Jahre verfolgt hat, doch anfangs wusste er einfach nicht, wie er das Buch verfilmen könnte, so Scorsese.

Zwiespältigkeit des Glaubens

In der Figur des Kichijiro, eines Begleiters der beiden portugiesischen Priester, fächert der Stoff die Zwiespältigkeit des Glaubens auf - zwischen Moral und Lebenspraxis, zwischen menschlichen und geistlichen Nöten. Denn Kichijiro widerruft, wenn er in Bedrängnis ist, um sich, wenn es opportun ist, doch wieder zum Christentum zu bekennen, er begeht vorsätzliche Sünden, hier konkret einen Judas-Verrat, um danach vom Priester, den er verraten hat, die Beichte zu erbitten. Doch auch Kichijiro ist ein Getriebener, dem Gewalt angedroht wurde, dessen Familie getötet wurde.

Lehrstück kolonialer Überheblichkeit

Wird die Hauptfigur, Pater Rodriguez, ebenfalls dem Glauben abschwören? Entlang dieser auch dramaturgisch relevanten Frage wird der Geistliche auf allerhand Proben gestellt. Nicht nur äußerlich verwandelt sich Rodriguez im Lauf des Films in eine Jesus ähnliche Erscheinung, die Parallelen zu den Versuchungen des Teufels, denen Jesus begegnet, sind offensichtlich.

Freilich ist "Silence" auch ein Lehrstück kolonialer Überheblichkeit unter religiösen Vorzeichen. Den manipulativem Machtanspruch und die Selbsttäuschung hinter gut gemeinten - oder sollte man besser sagen: fest geglaubten - Idealen zerlegt Scorsese am Ende nach Strich und Faden.