Schreiben auf Facebook: Puneh Ansari im Porträt

Puneh Ansari ist eine junge Autorin, von der man wohl in Zukunft sehr viel mehr hören wird. Die Wienerin mit iranischen Eltern ist in letzter Zeit durch gemeinsame Lesungen mit Stefanie Sargnagel aufgefallen.

Sargnagel und andere Fans von Ansari haben die eher zurückhaltende Künstlerin erst zu öffentlichen Auftritten ermutigt. Ansari schreibt Kurz- und Kürzest-Texte - von einer Zeile bis zu ein paar Seiten. Wie Sargnagel veröffentlicht sie sie als Statusmeldungen auf Facebook. Eine Auswahl dieser Texte ist gerade als Buch erschienen: "Hoffnun'". Es ist Puneh Ansaris Debüt; sie hat es auch selbst illustriert.

Kulturjournal, 2.3.2017

Eine Sauna, die kein Puff ist

gibts in wien nirgends eine sauna die in der Nacht
offen hat, und kein puff ist??
ich würde hingehen
und vielleicht noch andere Leute
Ich glaube in österreich ist sauna nicht soo beliebt
Hier ist kälte beliebt
alle menschen wollen ständig lüften
sie betreten einen raum und begrüßen die leute mit
einem 'boah! Da stinkts aber pfiatigot maria&josef
da müssma lüften!" dann holen sie giftgas raus und
bringen alle lebewesen um. Dann holen sie ihr säurebad
raus und vernichten alle spuren. Und dann lüften sie
sie lüften die ganze zeit bei minus 2 grad


Wie war das nochmal? Österreich? Lebewesen mit Giftgas umbringen? Erinnerungsspuren vernichten? Was da als scheinbar harmloser Wuchtel-Slalom daherkommt, kratzt unverhofft eine scharfe Kurve zu einer Ära, wo auch hierzulande Giftgas in Kammern mit Leuten eingeleitet wurde. Puneh Ansaris Texte entspringen immer einem gewissen Grundmilieu von Humor, wie die Stefanie Sargnagels. Aber sie sind tendenziell noch etwas rabiater, sehnsüchtiger oder trauriger.

Leben - eine "aufgedunsene Backerbsensuppe"

Das Leben ist wie eine Backerbsensuppe
Aufgedunsene Backerbsen und einer immer lauer wer-
denden Suppe die man immer liebloser und zerstreuter
zamloeffelt ohne Maggi


Oder:

Ich brauche eine Kindersicherung für mein Leben

Anders als Stefanie Sargnagel mit ihrer roten Baskenmütze präsentiert sich Puneh Ansari nicht als lustig-freche Rübe. Die zierliche schwarzhaarige, dunkel gekleidete 34-Jährige spricht bedächtig, nicht in griffbereit abgepackten Formulierungen: "Ich finde Humor eigentlich schon eine Kunst; man braucht ein Gefühlt für verschiedene komplexe Sachen. Für Rhythmus - das ist nicht so einfach. Aber das hat sich halt so in ernst und essentiell - oder existenziell, und Humor als eine Art von luftigem Ding, das halt alles auflockert und kein Gewicht hat - eingebürgert."

"Der Text passiert - wie ein Autounfall"

Sie schreibt, wie wenn sie ihre täglichen Beobachtungen, Gedanken, Kommentare zum Geschehen ausspreche würde. Manchmal einige Texte am Tag, manchmal ein paar Tage lang gar keinen. So ein Text passiere - wie ein Autounfall. "Meistens kommt einfach so ein Funke von irgendwo, und dann entsteht das so spontan und relativ schnell. Auch nicht so wirklich planbar", sagt die junge Autorin. Ihr Text kann ein Kommentar zu etwas aus dem Fernsehen sein oder aus dem Radio, meistens Ö1.

Ich hab grad nicht aufgepasst
Das federschwanzspitzhörnchen ist der bukowski der tierwelt?


Aus jedem Detail um sie herum kann ein Mikrotext werden. So fließt auf Puneh Ansaris Facebook-Profil ein Bewusstseinsstrom: philosophisch-essayistisches Tagebuch und Dichtung in einem; aber das klingt schon zu geschwollen und zu klassisch angesichts der Vereinigung Wienerisch gefärbter Alltagssprache mit verschiedenen Sorten Jargon; woraus Wortschöpfungen entstehen wie "recruitingastralschwanz; morgensternlasso; olivenmännchenpflegeroboter". Im jeweiligen Zusammenhang erschließt sich sofort, was gemeint ist.

"Elchporridge" in einem Text über Huskys

Ich liebe Huskys
Sie sind so lieb
Sie sind so schön ihr Fell ist so schmuckfrei de luxe
Ihre Augen sind so schaorf & hot sie sind wie Eiskris-
talle durch die man klar hineinsehen kann in den Eis-
wald der in ihnen bebt von der unendlichen Geschich-
te der Wald von diesem blonden girl,
sie schauen immer so gut & hübsch
Ruhig
Als wären sie aus der tille gekommen gerade auf ei-
Nem Frachtschiff aus Alaska, 2 Wochen Hemingway le-
Send in der Kajüte aus Stahl schrauben & Erdnussholz
(das buch soll fad sein hab ich gehört) Elchporridge
Zum Breakfast aus Alugeschirr,
waschen sich am Schiffsbug mit Hagelsammelwasser
im Tausendknotenwind

Kritik am Wegwerfkonsum

Tiere und Tierisches in uns sind wiederkehrende Motive. Und - sehr präsent - drastische Kritik etwa am Wegwerfkonsum: "Alle machen irgendwas, und es ist einfach wurscht. Es ist, als würde man einfach irgendwas durch die Gegend schicken, E-Mails; irgendwas verkaufen, was auch kaputt sein kann, einfach Leute übers Ohr hauen; und dass viele Sachen schon ziemlich wahnsinnig sind - wenn man sie so durchdenkt. Die als normal gesehen werden, wo man in viel Jahren vielleicht sagen wird, boah, die waren ja urprimitive Wahnsinnige."

Ein Thema ist bei ihr auch die Enteignung der Einzelnen von Freiräumen durch wachsenden Arbeitsdruck. Was insbesondere künstlerisch Tätigen die Grundlage entzieht, die für Gesellschaften lebensnotwendige kulturelle Produktion zu leisten.

Kann ich fragen ob ich den Kurs oder whatever sie jetzt
Für eine Überraschung für mich haben "aufschieben kann auf Oktober damit ich mein Buch fertigstellen kann" oder ist das absolut falsch daneben und too
Much weltfremd unverschämt Akademikerschlampe

Schreiben dank Facebook

Erst Facebook als Kommunikationskanal, um zu anderen zu sprechen, hat Puneh Ansari überhaupt zum Schreiben bewegt. Auf Facebook veröffentlicht sie auch Zeichnungen und Aquarelle, die qualitativ viele andere junge Künstler locker überrunden, obwohl sie nie Kunst studiert hat. Puneh Ansaris literarische Statusmeldungen sind nicht öffentlich für jedermann sichtbar. Sondern nur für ihre derzeit ca. 1.200 Freunde.

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Puneh Ansari, "Hoffnun'", Mikrotext
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