Camille Henrot in der Kunsthalle Wien

In ihrer aktuellen Installation in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz zeigt Camille Henrot visuelle Erkundungen rund um die Themen Dominanz und Unterwerfung.

Installationsansicht

JORIT AUST

Spätestens seitdem sie 2013 als beste Nachwuchskünstlerin bei der Biennale in Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichnet worden ist, ist Camille Henrot ein Liebling der internationalen Kunstszene. Mit Ende Dreißig wird die französische Künstlerin von bedeutenden Galerien vertreten und stellt in großen Institutionen aus. Für die Kunsthalle Wien am Karlsplatz hat Camille Henrot nun eine begehbare Installation gestaltet.

Kulturjournal, 21.3.2017

Der Traum, ein Leben

Das Setting erinnert ein wenig an die zeitgeistige Variante einer surrealistischen Landschaft. Da sieht man einen Boxsack um den sich eine biomorphe Skulptur kettet - Gliedmaßen ohne Rumpf. Dort ragt ein Phallussymbol in die Höhe auf dem eine Wildkatze aus Aluminium liegt, aufgespießt, erlegt, oder einfach nur erschöpft. Wer weiß das schon. Die französische Künstlerin Camille Henrot hat eine Traumlandschaft gestaltet. Ihr Thema: Begehrenslagen zwischen Dominanz und Unterwerfung, unerfüllte Wünsche, die für Camille Henrot auch politisch aufgeladen sind.

Zwischen Dominanz & Unterwerfung

"Aktion und Veränderung haben ihren Ursprung im Traum. Jeder Mensch, der ausgetretene Pfade betritt, formuliert einen unrealistischen Vorschlag", so Camille Henrot. Für die Ausstellung "If wishes were horses …" hat sie den gesamten Innenraum der Kunsthalle Wien am Karlsplatz mit Turnmatten ausgelegt. Besucher und Besucherinnen werden dazu aufgefordert, die Schuhe auszuziehen, bevor sie die begehbare Installation betreten, eine quasisakralen Handlung, die den öffentlichen Ausstellungsraum fast in einen intimen Ort verwandelt.

Camille Henrot arbeitet mit visuellen Codes, die ein Assoziationsraster aufspannen, Leitmotive werden in den einzelnen Arbeiten ihrer Installation durchdekliniert. Es gibt nicht unbedingt einen unmittelbar Zusammenhang zwischen diesen Arbeiten, doch das visuelle Vokabular, mit dem die Künstlerin spielt, wiederholt sich.

Wer genau hinschaut, findet den geflochtenen Zopf immer wieder: in einer zentralen Skulptur, die einen Zopf aus Eisenketten und Seilen zeigt, aber auch in der musikalisch untermalten Videoarbeit "Tuesday", die sich Jiu-Jitsu-Kämpfern widmet. Im rituellen brasilianischen Zweikampf verketten sich die Gliedmaßen ineinander, als wären sie ein Flechtwerk.

"Sprache, die nicht marktschreierisch ist"

Dominanz und Unterwerfung interessieren Camille Henrot: im sexuellen Rollenspiel, oder im Zweikampf, der im Kontext der Ausstellung wohl auch als Sinnbild der Wettbewerbsdoktrin verstanden werden kann. Das Video "Tuesday" zeigt Jiu-Jitsu-Ringer beim Training. Ihre Körper sind ineinander verschlungen, die Gesichter vor Anstrengung verzerrt. Trotz aller Aggression teilen die Kontrahenten einen Moment körperlich-sinnlicher Nähe miteinander.

Ihr künstlerisches Interesse, so Camille Henrot, gelte dem Uneindeutigen, dem Ambivalenten - gerade in politisch bewegten Zeiten wie diesen: "Ich lebe in New York. Deshalb konnte ich beobachten, wie sich in den letzten Jahren das politische Debattenfeld komplett verändert hat. In den Sozialen Medien findet eine polarisierte Auseinandersetzung statt. Es gibt keine Möglichkeit mehr, komplexe Gedanken zu formulieren. Ich möchte als Künstlerin eine Sprache verteidigen, die nicht marktschreierisch ist, eine Sprache, die Komplexität zulässt", sagt die 38-jährige Camille Henrot, die spätestens seit der Venedig Biennale 2013 als Shootingstar der zeitgenössischen Kunst gefeiert wird.

https://www.instagram.com/p/BRtApZvgXpV/" style=" color:#000; font-family:Arial,sans-serif; font-size:14px; font-style:normal; font-weight:normal; line-height:17px; text-decoration:none; word-wrap:break-word;" target="_blank">Right now we’re installing or rather braiding Camille #Henrot’s imposing "Tug of War" sculpture. It references the "french braid" hairstyle, that originated in North Africa 6000 years ago. Henrot is interested in the experience of the masochist, the anticipation of pain and pleasure, and of indefinite waiting, that is intertwined with creating the braid. "Camille Henrot. If Wishes Were Horses" opens on Tuesday (link in bio)

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Nur die Arbeit soll strahlen

Den marktschreierischen Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie will die Künstlerin nicht gehorchen. Das gilt nicht nur für ihr Werk, sondern auch für die Inszenierung ihrer eigenen Person. Interviews für Funk und Fernsehen verweigert sie weitgehend. Auch Fototermine nimmt sie nur ungern wahr. Dabei bringt die fragile Schönheit alles mit, was ein Covergirl der zeitgenössischen Kunst braucht: gutes Aussehen, Erfolg und Jugend. Doch Camille Henrot will nicht mit ihrer glamourösen Erscheinung im Mittelpunkt stehen, sondern mit ihrer Arbeit glänzen. IN der Kunsthalle Wien am Karlsplatz ist ihr das gelungen.

Service

Kunsthalle Wien - Camille Henrot. If Wishes Were Horses
22. März bis 28. Mai 2017

Camille Henrot

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