HC Strache umkreist von Journalisten

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Interviews als Verhöre?

Politik und Medien im Dauerclinch

So manchen Politikern ist die Berichterstattung zu unangenehm. Manch einer schlägt dann auch gern zurück, etwa der ehemalige Landeshauptmann Erwin Pröll, der von "gelenktem Journalismus" spricht. Dass Medien Politiker kritisch hinterfragen und umgekehrt, das gehört zum Geschäft. Was bewirken diese Vorwürfe und was kann an der politischen Berichterstattung besser werden?

"Die Medien sollen einfach mal den Mund halten und zuhören", findet niemand anderer als Steve Bannon, Chefstratege von US-Präsident Donald Trump. Auch österreichische Politiker sind unzufrieden mit der politischen Berichterstattung, im Fokus derzeit: Die ORF-Fernsehinformation. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sagt etwa im #doublecheck-Gespräch: "Was die Fernsehberichterstattung anbelangt, etwa die Zeit-im-Bild-Interviews, habe ich den Eindruck, dass es hier immer um Sieger und Besiegte geht und dass es darum geht, eine Stimmung wie bei einem Verhör wiederzugeben."

Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat es nicht gefallen, in einem Bürgerforum mit Peter Resetarits von einem Gong und dem Moderator in die Schranken gewiesen zu werden, aber im #doublecheck Interview verteidigt er die Berichterstattung im ORF Fernsehen.

Für die FPÖ gehört die Kritik speziell am ORF schon länger zum Geschäftsmodell. Wenn sich etwa FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache im vergangenen März auf Facebook über den Fragestil von ORF-Report-Moderatorin Susanne Schnabl beschwert, sind ihm Clicks und Reichweite gewiss, denn Empörung gegen das Feinbild ORF ist eine Erfolgsgarantie.

Gelenkter Journalismus

Legendär auch das Abschiedsinterview des ehemaligen Landeshauptmanns Erwin Pröll in der ZIB2. Er hat Moderator Armin Wolf "gelenkten Journalismus" vorgeworfen. "Ich habe das so verstanden, als würden sich Journalisten absprechen und gemeinsam beschließen, eine Person fertigzumachen, das ist eine völlig freie Erfindung", sagt Wolf – und - so etwas habe er noch nie erlebt.

Die Vorwürfe zeugen von mangelndem Demokratieverständnis, findet Corinna Milborn, Puls4-Infochefin: "Kritik damit gleichzusetzen, dass sie gelenkt sei von jemand anderem, ist das Perfideste, was man machen kann. Ich würde mir wirklich wünschen, dass es einen Aufschrei von anderen Politikern gibt. Denn es sind sie, die für Demokratie in dem Land stehen. Sie müssten wissen, wie wichtig Pressefreiheit ist. Sie müssten wissen, wie wichtig ein unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist."

Aber: Medien, die Politiker kritisieren, müssten auch deren Kritik aushalten, sagt auch Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung.
"Problematisch wird es dann, wenn die Aufgabe und die Leistung von kritischem Journalismus in der Gesellschaft so herabgewürdigt wird, dass die Medien generell de-legitimiert werden."

Der Negativfilter

Natürlich wissen Journalistinnen und Journalisten auch, dass sie einiges besser machen könnten. Es gäbe in Österreich die Neigung, einen negativen Filter über alles Politische zu legen, sagt Patterer. "Das bezieht sich vor allem auf diese unbeliebte Form der großen Koalition. Da haben sich die negativen Bilder derart verfestigt über all die Jahre, dass sie sich sichtbar zu negativen Zerrbildern verformt haben."

"Jetzt streitet die Koalition tatsächlich immer mal wieder, aber nicht jede Diskussion ist ein Streit. Ich glaube, da müssen Journalisten differenzieren", meint ZIB2 Moderator Armin Wolf.

Die Positiv-Falle

Positiv über Politik zu berichten, ist gar nicht so einfach, da wird gerne das Konzept vom "konstruktiven Journalismus" erwähnt – dahinter steckt keine Schönfärberei, sondern die Idee, dass man Probleme nicht nur aufdeckt, sondern auch recherchiert, ob es für das Problem woanders schon Lösungen gibt.

"Es macht mehr Mühe, sich Best-Practice-Beispiele herauszusuchen. Sich die Geschichten, die auch Menschen bewegen, anzuschauen, ist auch eine Ressourcenfrage", sagt Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin der Tageszeitung "Der Standard".

Armin Wolf

Armin Wolf

ORF/NADJA HAHN

Armin Wolf hat erlebt, dass dieses Konzept auch nicht aufgehen kann: "Wir wollten mindestens einmal in der Woche eine constructive-journalism-Geschichte machen, doch dann kam die Flüchtlingskrise und plötzlich ist was genau Umgekehrtes passiert. Die Zuseher haben nicht mehr gesagt, ihr seid immer so negativ, sondern bei jeder positiven Geschichte kam der Vorwurf: Ihr berichtet ja nur das Positive."

Im Zweifelsfall, bitte lieber auf die journalistische Kernkompetenz konzentrieren: "Unsere wichtigste Aufgabe ist diese kritische Distanz zu den Verantwortungsträgern. Wir sitzen nicht in einem Boot mit der Politik", sagt Puls4-Infochefin Corinna Milborn.

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