Geschminkter Schauspieler

ZHANG YAN

Festwochen-Auftakt: Pop-Oper "Ishvara"

Schrille Pop-Kultur und buddhistische Weisheiten unter einen Hut bringen - kein Problem für den jungen chinesischen Künstler Tianzhuo Chen. Letztes Jahr hat das Pariser Palais de Tokyo dem Senkrechtstarter der chinesischen Kunstszene eine Einzelausstellung gewidmet, nun bestreitet Chen bei Wiener Festwochen die Eröffnungsproduktion: In seiner Pop-Oper "Ishvara" treffen sich Hindu-Götter im Techno-Club.

Mittagsjournal, 13.5.2017

Trockeneisnebel wabert zwischen hinduistischen Götterstatuen und DJ-Pult. Dazwischen schleppt sich ein Asket im knappen Lendenschurz über die Bühne, gebannt in seiner, so scheint es, spirituellen Suche. "Ishvara" heißt das Stück des chinesischen Künstlers Tianzhuo Chen, Jahrgang 1985, der zwar in Peking geboren wurde, sein Kunststudium aber in England absolviert hat.

Tianzhuo Chen: "Ich bin Buddhist und gleichzeitig ein totaler Partytiger. Das stellt für mich keinen Widerspruch dar. Außerdem sehe ich große Ähnlichkeiten zwischen einer Rave-Party und einer religiösen Zeremonie. In eine Party geht man mit einer großen Hingabe und Energie hinein, genau wie in ein Gebet. Und deshalb möchte ich, dass auch das Publikum gleichzeitig die Atmosphäre eines Rave-Clubs und eine gewisse Heiligkeit spürt."

"Bhagavad Gita" als Vorlage

Grundlage für "Ishvara" war die "Bhagavad Gita", einer der heiligsten Texte des Hinduismus, den Tianzhuo Chen auf einer Reise quer durch Indien im Gepäck hatte: "In Indien verbringt man endlose Stunden im Zug und so hatte ich Zeit, das Buch, das eigentlich so dünn ist, dass man es in drei Stunden durchhat, ganz genau zu studieren. Es handelt sich ja um keine Geschichte im eigentlichen Sinn, sondern um eine Art Lehrdialog. Der Gott Krishna erscheint da dem Fürsten Arjuna und vermittelt ihm die Grundzüge der vedischen Philosophie. Und aus diesen zentralen Ideen habe ich meine Figuren entwickelt."

Dazu gehören, neben dem sinnsuchenden Asketen, ein Mädchen im kurzen Sportdress und ein untersetzter junger Mann mit wasserstoffblonden Haaren. Tianzhuo Chen: "Das Mädchen stellt das wahre Selbst dar, die Seele eines Menschen während der dickliche Mann für den Körper und die Begierden steht, die einen Menschen auch ausmachen."

Nackte Darsteller auf der Bühne

ZHANG YAN

"Autobiografie" im Schwebezustand

Während die beiden versuchen zueinander zu finden, spielen sich wüste Opferungszeremonien und Ekstasen im Tanztempel ab. Orchestriert von elektronischer Musik und traditionellen Lautenklängen. Als Erneuerer der klassischen Opernform wurde Tianzhuo Chen mit seinem bizarr-opulenten Cross-Over schon bezeichnet, doch der sieht seinen Ausgangspunkt woanders: "Die Form wirkt zwar westlich, die Ideen, auf denen mein Stück basiert, kommen aber aus dem Buddhismus. Das Stück ist weder Theater, noch Konzept- oder Performance-Kunst, sondern etwas dazwischen und in diesem Schwebezustand möchte ich es auch halten, weil sich nur so mit den verschiedenen Genregrenzen spielen lässt."

Er packe in jedes Stück, die Dinge, die ihn interessieren und faszinieren, sagt Tianzhuo Chen, deshalb wäre auch "Ishvara" eine Art Autobiografie. Wie sich so ein Leben anfühlt, in dem Londoner Club und chinesischer Tempel gleichwertig nebeneinanderstehen, das lässt sich heute, morgen und übermorgen in der Eröffnungsproduktion der Wiener Festwochen im Museumsquartier erleben.

Gestaltung: Wolfgang Popp

Service

Wiener Festwochen - Ishvara

Gestaltung

  • Wolfgang Popp