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Presserat

Die neue Liebe zu den Kontrolloren

Die "Kronen Zeitung", "Österreich" und "Heute" verstoßen am häufigsten gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse, in dem die Spielregeln für sauberen Journalismus festgelegt sind. Über die Einhaltung dieser Regeln wacht der Presserat, eine Einrichtung zur Selbstkontrolle der Zeitungen, die einerseits von der Verlagen und andererseits von der Journalistengewerkschaft getragen wird. Die Boulevardzeitungen sind also die Bösen, ziehen aber unterschiedliche Konsequenzen daraus.

Im Jahr 2016 hat sich der Presserat mit 307 Fällen befasst, in 33 Fällen - also bei rund zehn Prozent - wurden Verstöße gegen den Ehrenkodex festgestellt. In einem Fünftel der Fälle ging es um Berichterstattung über Flüchtlinge. Bei den Verstößen führt regelmäßig die "Kronen Zeitung" vor "Österreich" und "Heute", 2016 hat auch der FPÖ-nahe oberösterreichische "Wochenblick" vorne mitgemischt.

Das Spiel mit der Fall-Statistik

Interessant ist, wie die Statistiken des Presserats von den Betroffenen dann interpretiert werden. Im #doublecheck- Interview haben sowohl Wolfgang Fellner von der Gratis-Tageszeitung "Österreich" als auch Eva Dichand, Herausgeberin des Gratisblatts "Heute", versucht, sich mit Presserats-Zahlen in ein besseres Licht zu rücken. Zitat Eva Dichand: "Wir sind glaub ich voriges Jahr ein einziges Mal vom Presserat verurteilt worden, es ist der Kurier glaub ich zweimal verurteilt worden. Also man muss alles mit Maß und Ziel sehen."

Heute-Zeitung

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Gratisblatt "Heute" will gut dastehen

Tatsächlich ist für "Heute" wie für den "Kurier" zweimal ein Verstoß festgestellt worden, obwohl von "Heute" sogar mehr Fälle beim Presserat anhängig waren. Laut Presserats-Geschäftsführer Alexander Warzilek waren die "Kurier"-Verstöße aber geringfügig und nicht mit jenen des Gratisblatts zu vergleichen. Dichand ist es aber offenbar wichtig, vor dem Presserat gut da zu stehen. Ein Beitritt zum Presserat ist für "Heute" aber andererseits kein Thema.

Das Image des bösen Buben ablegen

Wolfgang Fellner wiederum ist im März mit seiner Gratiszeitung "Österreich" dem Presserat beigetreten und streicht das auch bei jeder Gelegenheit hervor: "Wir wollen jetzt verstärkt zum Vorbild werden, auch unser Beitritt zum Presserat soll zeigen, dass wir unter den Massenzeitungen die Guten sind", sagt Fellner im Interview. Er sieht hier offenbar einen Weg, von seinem Image des bösen Buben ein bisschen wegzukommen.

Fellner zählt Online-Verstöße nicht

Und es wäre nicht Fellner, würde er nicht einen speziellen Trick anwenden: Er ist dem Presserat nämlich nur mit der Zeitung "Österreich" beigetreten, nicht mit dem Online-Portal der Zeitung. Und von den vier Verstößen 2016 der Mediengruppe "Österreich" gegen den Ehrenkodex sind vom Presserat drei auf "oe24.at" registriert worden, die nach Fellners Zählweise nicht gelten. Der "Österreich"-Chef wird daher weiterhin nur von einer Verurteilung sprechen.

Lockruf der Medienförderungs-Millionen

Ein Grund für die neue Liebe zu den Kontrolloren vom Presserat könnte auch die Reform der Presseförderung sein, die wegen der Wahl jetzt aufgeschoben, aber angeblich nicht aufgehoben ist. Für den Bezug der neuen Medienförderung dürfte die Teilnahme am Presserat – indem man sich dem Ehrenkodex unterwirft – in der einen oder anderen Form wichtig werden. Fellner ist da den anderen Boulevardzeitungen also einen Schritt voraus, wenn er auch bestreitet, dass das sein Motiv war.

"Krone" zieht Fäden im Hintergrund

Die "Kronen Zeitung" tickt anders als die Gratisblätter. Die will mit dem Presserat, der ihr regelmäßig die meisten Verstöße gegen die journalistischen Spielregeln nachweist, weiterhin nichts zu tun haben. Gesprächsangebote sind laut Presserats-Geschäftsführer Alexander Warzilek nicht angenommen worden. Doch die "Krone" spielt trotzdem ihre Rolle, wenn auch im Hintergrund. Als größte Zeitung hat sie nämlich im Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) viel zu sagen, und der VÖZ ist ein wichtiger Träger des Presserats.

Update für Presserat ist schwierig

Das muss man bedenken, wenn über die Weiterentwicklung dieser Kontrolleinrichtung diskutiert wird – etwa durch straffere Verfahren, strengere Veröffentlichungspflichten und Zuständigkeit auch für reine Online-Medien, was der Presserat gerne hätte. Doch dazu braucht man alle Träger, und die Interessenlage zwischen diesen und manchmal auch innerhalb – siehe VÖZ und "Kronen Zeitung" – ist kompliziert und schwer zu durchdringen.

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