Maxime Pascal

SALZBURGER FESTSPIELE/MARCO BORRELLI

Zeit-Ton

Gérard Griseys Klangerforschungen

Das RSO Wien beendete am 16. August 2017 den Grisey-Schwerpunkt der Salzburger Festspiele mit einem monumentalen Werk des französischen Meisters der "Musique spectrale". Gérard Griseys "Les Espaces acoustiques" ist ein abendfüllendes Werk, das sich vom Solostück für Viola bis zum großen Orchesterwerk mit konzertierenden Hörnern weitet. "Zeit-Ton" sendet die Aufzeichnung dieses großformatigen Werkes in zwei Teilen.

Idealer Aufführungsort für Grisey

Aufgeführt wurde das sechsteilige Werk in der Salzburger Kollegienkirche. Für den jungen Dirigenten Maxime Pascal ein idealer Ort für diese Musik. Denn Griseys Orchestration strebe "nach einem Gesamtklang, die Einzelinstrumente sollen in ihm aufgehen". Es gehe bei der "Musique spectrale" nicht um hergebrachte Vorstellungen von Melodie, Harmonie und Zeit, so Pascal: "Es dreht sich alles um den Klang selbst. Griseys Musik geht tief in die Klänge hinein. Er lädt uns damit ein, über die Klänge selbst nachzudenken, und wie wir hörend von einer Form zur nächsten gelangen. Der Klang geht auf eine Reise von einem Zustand in den nächsten."

Mit Pascal hat man in Salzburg bewiesen, dass man beim Young Conductors Award ein gutes Händchen hat: 2014 zeichnete man ihn als Gewinner aus, seither zeichnet sich eine große Karriere ab.

RSO Wien mit Maxime Pascal

SALZBURGER FESTSPIELE/MARCO BORRELLI

Gewaltiger Orchesterklang durch Klangsynthese

Die Zweiteilung dieser Übertragung folgt einer inneren Logik: Denn wir erleben im ersten Teil vor der Pause das Orchester kammermusikalisch besetzt. Hier wird das Material in feinen Abstufungen aufgefächert und vorbereitet – allen voran in einem ausgedehnten Bratschen-Solo am Beginn.

Im zweiten Teil werden die schillernden Möglichkeiten, die die Welt der Mikrointervalle und Obertöne bietet – und die Gérard Grisey erforscht hat –, breit aufgefächert. Hier werden die unendlichen Möglichkeiten der Klangsynthese, die die Welt der Obertöne bietet, mit einem riesigen Orchester-Apparat exemplifiziert.

Ungewöhnlicher Beginn mit Bratschen-Solo

Das Stück beginnt mit einem ausgedehnten Bratschen-Solo, ausgeführt auf der Kanzel der Kollegienkirche. Dieses Solo ist mit dem restlichen, fast zweistündigen Werk eng verzahnt. Die Akkorde, die im Stück auftreten, werden hier als Melodie ausgebreitet - ähnlich wie bei J.S. Bach und seinen Solosonaten für Violine und Cello. Dabei geht Grisey tief in die allerfeinsten Verästelungen der Mikrointervalle. Eine eigene Welt, die auch erfahrene Neue-Musik-Spezialisten wie den RSO-Solo-Bratscher Mario Gheorghiu vor Herausforderungen stellt.

"Man muss sich das erarbeiten", sagt Gheorhiu über die Welt der Doppel- und Dreifachvorzeichen, die nicht alltägliche Griffe und Akkordkombinationen am Instrument erfordern. Und diese Griffe müssen bombensicher sein. "Erst wenn man die intendierten Schwebungen genauestens trifft, geht das Konzept von Grisey auf. Dann fängt es zu schweben an und dann können die Zuhörenden erst begreifen, dass das tonale Spektrum hier gar nicht mehr wichtig ist, sondern dass es hier um ein ganz neues Klangspektrum geht."

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