Ildiko Enyedi

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Film

Kinostart für Berlinale-Gewinnerin Ildiko Enyedi

Für ihren Film "On Body And Soul" (Körper und Seele) wurde Ildiko Enyedi bei der Berlinale heuer mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Für die ungarische Regisseurin war es eine Rückkehr auf die große Leinwand nach langer Abwesenheit. 1989 für ihr Langfilmdebüt "Mein 20. Jahrhundert" in Cannes ausgezeichnet, liegt Enyedis letzter abendfüllender Spielfilm "Simon magus" bereits 18 Jahre zurück.

Kulturjournal | 12 09 2017

Ildiko Enyedi im Gespräch mit

Benno Feichter

Eine Liebesgeschichte im Schlachthaus

Ildikó Enyedi erzählt in "Körper und Seele" von zwei Menschen, die getrieben von Abgrenzung und Sozialphobien eine Mauer um sich aufgebaut haben, und diese gemeinsam nach und nach durchbrechen. Beim Mittagessen sitzt Maria allein in der Mensa, und so genau sie Zahlen, Daten und Fakten in ihrem Gedächtnis abrufen kann, so schwer tut sie sich mit Gefühlen und Berührungen. Als Qualitätsprüferin in einem Schlachthaus lernt sie den älteren Endre kennen, der mit dem Thema Beziehung längst abgeschlossen zu haben scheint. Aber im Rahmen einer arbeitspsychologischen Untersuchung stellen die beiden fest, dass sie Nacht für Nacht denselben Traum haben, und kommen einander langsam näher.

Von der Isolation zurück ins Leben

Sie habe den Kontrast zwischen dem Wunsch eines Menschen, das Leben in vollen Zügen auskosten zu wollen, und einer Form von Selbstschutz, der das unmöglich macht, auf die Leinwand übersetzen wollen, so die Regisseurin. Eine Liebesgeschichte sei dafür die ideale Form gewesen: "Wer sich nicht verletzlich macht, wer nicht bereit ist sich zu öffnen, kann ein Liebe nie in vollen Zügen leben."

Ildiko Enyedi bei der Berlinale mit goldenem Bären

APA/dpa-Zentralbild Pool/Britta Pedersen

Berlinale 2017

Ildiko Enyedi mit der Auszeichnung für den Besten Film.

Viel Humor im Schlachthaus der Gefühle

Klein sind die Schritte dieser Annährung, die Enyedi über ebenso kleine Details aber mit großer Wirkung erzählt. Über die sparsam wie präzise gesetzte Gestik und Mimik der Schauspieler oder das Licht, das wie ein visueller Soundtrack Emotionen in Bilder übersetzt. Die Liebesgeschichte wirkt umso fragiler zwischen den routinierten und fast mechanischen Abläufen im Schlachthaus, die wiederum mit den Traumsequenzen und den Wildtieren in der Natur kontrastiert werden. Und einem anfangs subtilen am Ende fast brachialen Humor, der diesem Film seine Leichtigkeit gibt.

18 Jahre lang hat die 1955 geborene Regisseurin keinen Kinofilm mehr gedreht. Sie hat für das Fernsehen und an der Filmhochschule gearbeitet, Drehbücher geschrieben, aber keines davon realisieren können. Jetzt - mit "Körper und Seele" - fühle sie sich wieder zurück in der Normalität.

Kino als Insel der künstlerischen Freiheit in Ungarn

Enyedi ist eine der Leitfiguren des ungarischen Kinos, das in den letzten Jahren einen kleinen aber feinen Aufschwung erlebt hat, künstlerisch wie auch in der Wahrnehmung im internationalen Festivalbetrieb. Eine Situation die die Regisseurin als paradox beschreibt - denn während sonst die politische Einflussnahme in Ungarn zunehme, alles restriktiver werde, sei das Kino dank eines starken Filmfonds eine kleine Insel der künstlerischen Freiheit geblieben. Und eine einzigartige kleine Kinoinsel hat Ildiko Enyedi auch mit "Körper und Seele" geschaffen. Ein leiser Film, der die kleinsten emotionalen Regungen, ganz groß auf die Leinwand bringt.

Service

Ein ausführliches Interview mit Ildiko Enyedi hören Sie heute Nachmittag im Ö1 Kulturjournal.

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