Dirigent Penderecki, 1973

PETER PHILIPP

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50 × Zukunft

Das ORF musikprotokoll feiert seine 50. Ausgabe.

1997 wurde die 30. Ausgabe des Festivals musikprotokoll begangen. Stolz verkündete der damalige Leiter, Christian Scheib, im Programmheft: "Die Konzerte des musikprotokolls sind heuer nicht nur in Grazer Konzertsälen, in Ö1 in der Sendereihe 'Zeit-Ton' und in Radio Steiermark zu hören, sondern auch - live - im World Wide Web. Mithilfe von real video (und damit auch real audio) ist die Musik dieses ORF-Festivals auf der ganzen Welt via Internet erlebbar."

Damals, als noch nicht einmal die ORF-Redaktionen flächendeckend mit PCs und Internetzugang versehen waren, war ein Video-Livestream im Netz ein beispiellos zukunftsweisendes und visionäres Projekt, ein Beweis dafür, dass zeitgenössische Kunst in unser aller Zukunft zu verweisen mag.

Aufbruchsstimmung der Anfangsjahre

Von Beginn an war es das, was das musikprotokoll wollte: 1968 gründete der Pionier und Visionär Emil Breisach als Intendant im Landesstudio Steiermark das erste Festival für zeitgenössische Musik in Österreich und war damit auch europaweit beispielgebend. Das vom ORF produzierte Festival fand von Anfang an im Rahmen des damals ebenfalls neu gegründeten steirischen herbstes statt. Im Vorwort zum ersten Programmheft notierte Emil Breisach:

"Der Rundfunk, vielfach nur als Mittler und Verbreiter des aktuellen und kulturellen Geschehens angesehen, gewinnt in partiellen Bereichen zunehmend die Funktion eines Auftraggebers und Mäzens. Sein jeweiliger Standort wird Sammelpunkt der künstlerischen Elite, er dient der Avantgarde als Diskussionsforum, er sprengt die räumliche Beengtheit geistiger Auseinandersetzung durch die Reichweite seiner Ausstrahlung. (...) In dieser allgemeinen Entwicklung ist den Studios in den österreichischen Bundesländern eine besondere Funktion zubemessen. Sie haben die schöpferischen Kräfte der engeren Heimat zu aktivieren, dort, wo es am schwersten ist, Pionierarbeit zu leisten, Maßstäbe in Begegnungen mit Persönlichkeiten von internationalem Rang zu setzen."

Budgetäre Grenzen

1997 wiederum notierte Emil Breisach anlässlich der 30. Festivalausgabe: "Ich lese mit Betroffenheit, die aus gegenwärtiger Erfahrung resultiert, das Vorwort im Programmheft des ersten musikprotokolls anno 1968." Die "Betroffenheit", mit der sich Emil Breisach an die Aufbruchsstimmung der Anfangsjahre erinnerte, hatte wohl damit zu tun, dass dieses von ihm beispiellos gelebte Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Produzent und Ermöglicher von zeitgenössischer Kunst und Kultur immer stärker mit budgetären Grenzziehungen konfrontiert schien. Die Idee, im Jahr 1968 erstmals ein Festival für zeitgenössische Musik im neu gegründeten steirischen ORF-Landesstudio auszurichten, hatte für Emil Breisach mit seinen Erfahrungen der NS-Zeit zu tun. Im Aufbruch der späten 1960er Jahre war es seine Vision eines weltoffenen Zeitgenoss/innentums, Kunst und Kultur sollten in eine moderne, aufgeschlossene Zukunft weisen.

Viel hat sich verändert und bewegt in diesen Jahrzehnten. In Graz, in Österreich, in Europa, in der Welt, in der Musik. Und weiterhin wird einmal pro Jahr das zeitgenössische Musikleben protokolliert. Tausende Aufnahmen von Ur- und Erstaufführungen im ORF-Archiv sind das klingende Zeugnis einer sich verändernden Gesellschaft und ihrer stets vorausgegangenen Avantgarde.

https://www.instagram.com/p/BZbJ7_xlplX/" style=" color:#c9c8cd; font-family:Arial,sans-serif; font-size:14px; font-style:normal; font-weight:normal; line-height:17px; text-decoration:none;" target="_blank">Ein Beitrag geteilt von Elke Tschaikner (@elketsch) am


Ausblicke in die Zukunft

2017. Wir feiern vom 4. bis 8. Oktober die 50. Ausgabe des Festivals musikprotokoll. In Graz und natürlich in vielen Ö1 Sendungen. Das RSO Wien spielte am 6. Oktober im Stefaniensaal des Grazer Congresses - ganz oldschool - zum "Ball" auf. Die Besucher/innen durften zu "Tanzmusik für Fortgeschrittene", komponiert von Johanna Doderer, Jorge Sánchez-Chiong, Johannes Kalitzke und vielen anderen, das Tanzbein schwingen. Darüber hinaus blieb das musikprotokoll musikalisch fest in der Gegenwart verankert: Die Uraufführung einer Komposition von Peter Jakober eröffnete - diesmal schon am Mittwochabend - einen Reigen der Ur- und Erstaufführungen. Mit dabei waren unter anderem das Ensemble Phace und Studio Dan, das Quatuor Diotima, das ensemble zeitfluss und der britische Ausnahmekontrabassist Barry Guy. Stefan Fraunberger und Andreas Trobollowitsch vertreten mit performativen Installationen und ritualhaften Konzerten die Plattform Shape, ein Projekt des vor zehn Jahren vom musikprotokoll mitbegründeten Festivalnetzwerks ICAS.

Im Stiegenhaus des Stadtwerke-Hauses im Grazer Zentrum fand ein Projekt zusammen mit dem Austrian Cultural Forum New York statt: 15 österreichische Musikschaffende gestalten Hommagen an Persönlichkeiten, die eng mit New York verbunden sind. Auch Livesendungen gab es einige vom heurigen Jubiläumsfestival, zu Gast im "Ö1 Klassik-Treffpunkt" in Graz war u. a. der heurige "Festivalschreiber" Händl Klaus. Getreu dem Leitmotiv des steirischen herbstes 2017, das die Frage "Where are we now?" stellt, inspirieren Rückblicke, Ahnungen und Aufbrüche ins Unbekannte auch das musikprotokoll, das sich darüber hinaus einen eigenen, bewusst übermütigen Titel gönnt: "Diebe, Träumer, Tänzer". Mit anderen Worten: Wir stehlen mit Vergnügen in der Vergangenheit für unsere Zukunft.

Service

musikprotokoll

Gestaltung

  • Christian Scheib
  • Elke Tschaikner