Bühnenbild, feuerspeiender Mann

"Die Zauberflöte" in der Inszenierung von Barry Kosky an der Komischen Oper Berlin (2012) (c) dpa/Maurizio Gambarini

Hinter die Melodien blicken, hinter den Text schauen

Der Hörspiel- und Theaterregisseur Leonhard Koppelmann und der Musiker und Komponist Peter Kaizar über ihr gemeinsames Hörspielprojekt.

Glockenspiel, im Hintergrund eine Flöte

ORF/Lukas Beck

ORF-CD 803

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Spieldauer: 69:11 Min.

Leonhard Koppelmann: "Die Zauberflöte" als Hörspiel? "Die Zauberflöte" ohne Mozart? Am Anfang war ich dem Projekt gegenüber doch sehr skeptisch. Das, woran man sich aus der "Zauberflöte" am deutlichsten erinnert, sind natürlich die Arien und die musikalischen Motive, die sich so tief in unser Bewusstsein eingegraben haben, dass wir, so glaube ich, einfach sehr wenig vom Text verstehen. Ich habe einige Zauberflöteninszenierungen gesehen, aber erst bei der Lektüre des Librettos tatsächlich die Geschichte verstanden und wahrgenommen. Das erschien mir dann doch plötzlich ein interessanter Ansatz, sich diesem Stoff noch einmal zu nähern und noch einmal hineinzuhorchen, was da tatsächlich und eigentlich verhandelt wird.

Worum geht es in der "Zauberflöte", ist sie ein Märchen, eine Freimaureroper? Wie würden Sie das Stück kategorisieren?

Leonard Koppelmann: Genretypisch hat das Stück schon sehr viel Märchenhaftes, es wird gern als Kinderoper gespielt und insofern als liebliches oder kindgerechtes Märchen wahrgenommen, dabei ist es doch eher ein sehr dunkles oder im grimmschen Sinne "gemeines" Märchen. Es hat Fallstricke und Abgründe, die ein bisschen in der Musik verschwinden oder durch die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart verkleidet werden. Die doch ursächliche und rohe Gewalt, die es im Stück auch gibt, erscheint mir bei genauerer Lektüre so gar nicht kindgerecht, sondern irgendwie aufregend und hat eher etwas mit "Game of Thrones" zu tun als mit einem Kinderbuch.

Der Text des Librettos von Emanuel Schikaneder, an dem auch Mozart mitgewirkt hat, wurde wortgetreu übernommen?

Leonhard Koppelmann: Wir haben uns ausschließlich an das Libretto gehalten. Es ist darin natürlich ein bisschen verkürzt, bestimmte Dinge, Wiederholungen, die auch musikalisch gemeint sind, wurden herausgenommen. Der Ablauf der Geschichte wurde strikt beibehalten, und es kam nichts dazu, was nicht im Original steht. Ich glaube, das Interessante ist, dass das Libretto sich ein bisschen hinter der Musik versteckt. Wenn man die Annäherung an den Stoff einmal andersrum vollzieht, also sagen wir, das Unwichtigere, das vermeintlich Unwichtigere, nämlich den Text nach vorne nimmt, dann kann es sein, dass man einen anderen, neuen Zugang zu dieser Oper erfährt.

Peter Kaizar, Sie sind verantwortlich für die musikalische Umsetzung des Hörspiels. Wie geht es einem dabei, einen Text zu gestalten, der untrennbar mit Mozarts Musik verbunden ist?

Peter Kaizar: Anfänglich erschien mir das praktisch unmöglich, als Musiker da irgendwie in Erscheinung treten zu wollen. Während der Vorüberlegungen hatten wir gemeinsam mit dem Regisseur Leonhard Koppelmann beschlossen, auf keinen Fall Mozart zu verwenden, also nicht einen Ton von Mozart zu spielen. Während der Arbeit daran - und auch in der Diskussion - sind wir draufgekommen: Ohne Mozart geht’s nicht, da die Motive, abgesehen davon, dass der Zuhörer sie erwartet, auch stark mit den Figuren verbunden sind. Daher ging es nicht ohne Mozart-Zitate, obwohl ich persönlich nicht unbedingt Mozart-Fan bin.

Wichtig war uns, die Besetzung klein zu halten, uns stilistisch frei zu bewegen und den volkstümlich-komödiantischen Charakter herauszuarbeiten. Als Musiker geht man spielerisch an so eine Aufgabe heran, und die Melodien eignen sich auch sehr gut dafür - zum Beispiel bei "Dies Bildnis ist bezaubernd schön": eine Mandoline, ein bisschen italienisch-karibisch, das bietet sich einfach an als "L’amour- Hatscher". Die Königin der Nacht bekam ein Heavyrock-Outfit, der Vogelfänger eine einsame Mandoline, dem "Mädchen oder Weibchen" hat Toni Burger einen heutigen Ausseer Pascher verordnet ... Ich glaube, dass mit den großartigen Musikern und Musikanten Anton Burger, Wolfgang Tockner und Patrice Héral Lösungen gefunden wurden, ohne sich lächerlich zu machen - mit Mozart kann man ja nicht ernsthaft konkurrieren. Die Arbeit an der "Zauberflöte" war sehr anregend, und wir haben das mit großer Lust eingespielt.

Peter Kaizar, Leonhard Koppelmann und Petra Morzé im Ö1 Hörspielstudio

ORF/JULIA HERZOG

Leonhard Koppelmann: Peter Kaizar hat etwas Wichtiges gesagt: Es geht nicht darum, sich über die Oper oder speziell auch über das Libretto lustig zu machen oder irgendeine Form von Paraphrase herzustellen, sondern es ging uns darum zu ermöglichen, etwas, das stark in den Volksgebrauch übernommen worden ist, neu zu hören und neu zu lesen und neu zu verstehen: Hinter die Melodie zu blicken und auch hinter den Text zu schauen, das war unsere Idee. Und auch wenn die Idee des Hörspiels durchaus eine didaktische ist, was das Neu-Lesen, das Tiefer-Hineinschauen, das Verstehen des Textes angeht, bleibt doch das, was Mozart zumindest für mich ausmacht, das Spielerische, das Lächelnde, das mit Augenzwinkern mit Sujets umzugehen, auch für diese Hörspielfassung wesentlich. Diesem Impetus haben wir versucht zu entsprechen, das vermeintlich Leichte weiter zu tragen, auch da, wo es etwas dunkler wird in den Geschichten.