Sänger Michael Marco Fitzthum (Marco Wanda) und Gitarrist Manuel Christoph Poppe

APA/HERBERT NEUBAUER

Popmusik

Wanda - Das neue Album "Niente"

Vier Jahre ist es her, seit die Wiener Band Wanda mit ihrem Debütalbum "Amore" ein musikalisches Ausrufezeichen gesetzt hat. Österreich staunte über die herbe Wiener Röstung, die belebend und mitreißend war und dazu beitrug, dem österreichischen Pop ein neues Selbstverständnis zu verleihen. Es folgte mit "Bussi" Album Nummer zwei, eine Reihe von Auszeichnungen und eine mittlerweile schon zweijährige Wartezeit auf das dritte Werk. Heute ist es soweit. Ein schlichtes Wort, das auch noch die Liebe zum Italo-Pop unterstreicht, ziert das Cover des neuen Albums: "Niente".

Mittagsjournal, 6.10.2017

David Baldinger

Die Pose ist unmittelbar vertraut. Marco Michael Wanda gibt zwei Jahre nach "Bussi" wieder, oder immer noch, den schludrigen Vorstadtpoeten mit der massiven Austropop-Schallplattensammlung und der Vorliebe für italienischen Schlager mit Anspruch. Braune fettige Lederjacke, Jeans, das Bier kühl und gepflegt. Es ist kurz nach Mittag. Über Veränderungen oder Auswirkungen des Höhenrausches der vergangenen Jahre will der Sänger nicht sprechen. Das Spiel mit der Presse scheint mindestens so anstrengend wie unterhaltsam.

"Man hat so seine drei Satzerl" - Marco Michael Wanda

Der Tod verbindet

Es wird zwar nicht nebelig-düster, doch zumindest wehmütig. Der Herbst und die Dämmerung legen sich über Wien und hinter jeder lyrischen Ecke lauert auf dem neuen Wanda-Album "Niente" ein Abschied. "Uns geht’s immer nur um das was Menschen gemeinsam haben. Ganz profan gesagt war das für mich bei dieser Platte Leben und Tod. Das ist das was Menschen nicht trennt, sondern verbindet. Das zu zeigen, war mir sehr wichtig", sagt Sänger Marco Michael Wanda im Ö1 Interview.

Ausgerechnet jenes Wiener Wahrzeichen, das hinter der golden glänzenden Oberfläche aus purem Abfall besteht, ziert das "Niente"-Plattencover. Die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete Müllverbrennungsanlage in der Wiener Spittelau symbolisiert die Schönheit im Hässlichen und das Strahlende der Schattenseiten; eine Melange der Widersprüchlichkeit, mit der auch Wanda kokettieren. "Ich bin einer Generation angehörig, die sich nicht so ernst nimmt", sagt Sänger Marco Michael Wanda. Theorie war noch nie die selbstgewählte Domäne der Band, dann doch lieber die möglichst ungeschönte Praxis. Schnaps, Schweiß und Sinnestaumel, dieser Dreiklang umschrieb bisher Wandas inszeniertes Selbstverständnis. "Niente" bietet nun Zwischentöne.

Im Prater verblühn die Bäume

Der Schottenring, der Prater und das Cafe Kreisky - geografisch und sprachlich bleiben Wanda auf "Niente" weiter im gewohnten Grätzel. Emotional betritt Platte Nummer drei dann aber doch Neuland. Angesiedelt sind diese zwölf Lieder nämlich an den seelischen Grenzübergängen, dort wo sich innere Aggregatszustände ändern. In dieser Grundstimmung versuchen Wanda mit wenigen Worten großen Umwälzungen und Gefühlen beizukommen. Denn wo andere das Jetzt analysieren, um dem Zeitgeist auf die Schliche zu kommen, wollten Wanda immer schon den Moment auskosten. Warum auch intellektuell um das Jetzt kreisen, wenn es im Jetzt so schön sein kann.

Battle of the Bands

Von Bilderbuch, der anderen großen Österreichischen Band der Gegenwart, trennt Wanda Welten. Hier die bunte Dada-Band, die mit ihrem Sound in die Zukunft und über Sprachgrenzen strebt. Dort die erdigen Bauchmusikanten, für die Innovation nicht einmal Anspruch ist. Das mediale Schattenboxen schafft wie schon in der UK-Version in den 1990ern zwischen den Blur-Buben und den Oasis-Rabauken vor allem eins: Aufmerksamkeit. Ein wertvolles Gut, wenn man etwas sagen will oder gar etwas verkaufen möchte.

Im Ö1-Interview zur Veröffentlichung von "Magic Life" meinte Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst über Bands wie Seiler & Speer, Granada oder eben auch Wanda, diese seien "Opfer" eines reaktionären gesellschaftlichen Moments.

"Man könnte noch mehr Mundart machen ..." - Maurice Ernst

Eine Kritik, die Marco Michael Wanda heute als "blödsinniges Gequatsche" und "pseudosoziologisch" abtut. Der Sänger wirkt perplex. Sein Ratschlag an den Bilderbuch-Frontmann: "Einfach ein bisschen weniger kiffen, den Joint aus der Papp’n nehmen und etwas klarer denken." Nicht nur im Hip-Hop wird also gedisst.

"Blödsinniges Gequatsche" - Marco Michael Wanda

Club der quicklebendigen Dichter

Ein gemeinsamer Nenner, der die beiden verbindet, ist die Lust am Spielen mit der Sprache. Für Marco Michael Wanda zeichnet diese typisch österreichische Eigenschaft die aktuelle Pop-Bewegung aus, die er nicht primär als musikalische sieht. "Ich glaube im Kern ist diese ganze neue Bewegung eine literarische", sagt Wanda. "Damit hat sie viel mit den italienischen Cantautori gemein, wo ja auch eher die Symbiose von Musik und Text in den Vordergrund gestellt wird als die Lust nach Innovation." Statt ausgeklügelter Sound-Basteleien geht es Wanda also auch auf "Niente" zuallererst um die geschmeidige Vereinigung von Wort und Melodie. Dieser Band Innovationsverweigerung vorzuwerfen, geht also sowohl am Selbstverständnis wie auch am Thema vorbei.

"Die Geschichte eines Lebens"

"'Amore' erzählt eine Geschichte, 'Bussi' erzählt eine Geschichte und 'Niente' erzählt auch eine Geschichte", erklärt Marco Michael Wanda. "Aber irgendwie erzählen sie alle dieselbe Geschichte, die Geschichte eines Lebens, oder eine Perspektive auf dieses. Mehr nicht." Lieder also, die ein Leben begleiten, untermalen und episodisch vertonen. Zugestellt als bodenständige Hausmannskost und nicht als experimentelle Gourmethäppchen. Immer noch typisch Wanda, aber eindeutig mehr verschlafener Sonntagnachmittag als schnapsgetränkte Samstagnacht.

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