Junger Mann, mit schwarzer Kaputze und roter Jacke, rennt

Viennale

Prämierter Film

Gangsterthriller "Good Time"

Mit ihrem Film "Good Time" haben die New Yorker Brüder Josh und Benny Safdie heuer bei den Filmfestspielen in Cannes für Aufsehen gesorgt. Gedreht in den Straßen New Yorks in Guerilla-Manier, also zum Teil auch ohne Drehgenehmigung, handelt der ungewöhnliche Thriller von einem Brüderpaar, das sich immer tiefer in kleinkriminelle Machenschaften verstrickt.

Morgenjournal | 24 10 2017

Arnold Schnötzinger

Alles scheint gut gelaufen. Mit dem Geld aus einem Bankraub in der Tasche sitzen die Brüder Nick (Benny Safdie) und Connie (Robert Pattinson) in einer Limousine, die sie aus New York rausbringen soll, doch dann explodiert die Farbpatrone in der Tasche und die Turbulenz in der Geschichte. Die Scheine sind rot eingefärbt, ebenso Jacken und Hosen. Wie Warnschilder taumeln die Brüder durch die Gegend, müssen plötzlich improvisieren. Für den geistig zurückgebliebenen Nick ist bald Endstation im Gefängnis.

"Giftige Bruderliebe"

Die Kaution kann nicht zusammengekratzt werden, eine Kreditkarte ist gesperrt, Connies Freundin denkt nur an Urlaub, Nick, der sich im Gefängnis unbeliebt macht und daher schon bald im Krankenhaus landet. Von einer kleinen Katastrophe stolpert Connie in die nächste Unerfreulichkeit, erleidet durch eine Ansammlung moralischer und juristischer Fragwürdigkeiten einen veritablen Kontrollverlust. Doch Connie bleibt bei seinem Plan, Nick um jeden Preis aus dem Gefängnis zu holen: "Diese Bruderliebe ist übermächtig, geradezu giftig", meint Darsteller Robert Pattinson.

Irritation auf der Tonspur

So als wollte er sich dezidiert von seinen Hochglanzkinozeiten absetzen - Stichwort "The Twilight Saga" -, treibt sich ein räudiger, mangelhaft blondierter und überhaupt verwahrloster Robert Pattinson durch Queens, oder besser: wird getrieben, um nicht zu sagen gehetzt. Zuvorderst von der Polizei. Die Tonspur ist hier eine wesentliche Triebkraft der Irritation: hysterische Zwischentöne, Gesprächsfetzen, die sich überlagern, ein Soundtrack, der sich ins Gemüt des Kinozusehers hineinsägt und Connies Überlebensinstinkt atmosphärisch in den Kinosaal hinein transplantiert.

Filmgewordener Treibsand

Wie ein hypnotischer Fiebertraum verbreitet der Film seine Nervosität, so als wäre man in einem Frühwerk von Martin Scorsese aus den 70ern gelandet, umhüllt vom Lebensgefühl einer Stadt, die nie zur Ruhe kommt. "Good Time" ist aber auch für den Kinozuseher filmgewordener Treibsand, je heftiger man sich befreien will desto mehr versinkt man darin.

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Viennale - Good Time