Szenenausschnitt, Menschen im Tanzsaal

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Umstrittenes Zarendrama "Mathilde" läuft an

In Russland sorgt ein opulenter Kostümfilm über die Liebesbeziehung des letzten russischen Thronfolgers zu einer Balletttänzerin für Aufregung. Seit Monaten laufen Monarchisten Sturm gegen den Film, der in ihren Augen die Ehre des letzten Zaren Nikolaus II. beleidigt. 1918 wurde dieser von den Bolschewiken ermordet und im Jahr 2000 von der russisch-orthodoxen Kirche heiliggesprochen. Schon während der Dreharbeiten gab es Brandanschläge und Drohungen gegen das Filmteam. Heute kommt der Film "Mathilde" auch in die österreichischen Kinos.

Morgenjournal | 02 11 2017

Carola Schneider aus Moskau

Eine Liebe, die nicht sein darf: Der russische Thronfolger verfällt einer schöne Ballerina, obwohl er schon standesgemäß verlobt ist. Zerrissen zwischen Leidenschaft und Verantwortung für das Vaterland, entscheidet sich Nikolaus schließlich für den Zarenthron.

"Falsches Zeugnis über einen Heiligen"

Schon während der Dreharbeiten erhitzt der Film die Gemüter orthodoxer Gläubiger und Monarchisten. Monate, bevor "Mathilde" in die Kinos kommt, versammeln sich Hunderte Gläubige in Moskau zum Protestgebet. Keiner kennt den Film, doch alle verlangen sein Verbot:"In diesem Film wird der Zar, ein Heiliger der russisch-orthodoxen Kirche, als Hurenbock dargestellt", empört sich Andrej Kormuchin von einer ultraorthodoxen Kirchenbewegung.

Zar und Zarin

Der deutsche Schauspieler Lars Eidinger als Zar Nikolaus II.

Kinostar

Wsevolod Tschaplin, ein ultrakonservativer Erzpriester, spricht sich für die Exkommunikation von Filmregisseur Alexej Utschitel aus: "Laut kanonischem Recht ist es mit dem Christentum nicht vereinbar, wenn jemand über einen Heiligen falsches Zeugnis ablegt oder ihn so darstellt, dass unreine Gefühle geweckt werden."

Friedliche Proteste eskalieren

Angestachelt werden die Proteste von Natalja Poklonskaja, einer Parlamentsabgeordneten der Kremlpartei und fanatischen Zaren-Verehrerin. Sie versucht, bis zuletzt, die Ausstrahlung des Zaren-Films mit juristischen Mitteln zu verhindern. Sie appelliert an die russische Generalstaatsanwaltschaft, Mathilde als Provokation und extremistisches Material einzustufen.

Plötzlich eskalieren die zunächst friedlichen Proteste. Es brennen Autos und Molotow-Cocktails fliegen gegen das Büro des Filmregisseurs. Kinobetreiber erhalten Drohungen, dass ihre Säle brennen werden, wenn sie "Mathilde" zeigen. Aus Sicherheitsgründen weigert sich der deutsche Hauptdarsteller des Films, Lars Eidinger, zur Premiere nach Russland zu reisen.

Regisseur Alexej Utschitel kann die Hetze gegen seinen Film nicht verstehen: "Ja, Zar Nikolaus II. ist als Märtyrer heiliggesprochen worden. Aber sein Leben ist bekannt und es gibt jede Menge Filme, Theaterstücke und andere Quellen, die davon erzählen. Ich bin bei weitem nicht der erste. Doch manche argumentieren, nur weil er heiliggesprochen ist, darf nichts über sein Privatleben gezeigt werden."

Festnahmen nach längerem Zögern

Mittlerweile müsse man in Russland darum kämpfen, selbst aussuchen zu dürfen, welchen Kinofilm man ansehen wolle, beklagt Utschitel. Schließlich meldet sich Präsident Putin zu Wort und beschwichtigt. Niemand wolle den Film verbieten.

Nach längerem Zögern nehmen die russischen Behörden einige ultraorthodoxe Aktivisten fest, die hinter den Drohungen und Brandanschlägen stehen sollen. Zwar gibt sich der Kreml stets gern als Hüter traditioneller Werte, doch die gewaltsamen Proteste gegen den Kinofilm gingen offenbar auch ihm zu weit. Ein Signal, dass die fanatischen Gegner des Zaren-Dramas verstanden haben- seit kurzem läuft "Mathilde" in den russischen Kinos. Gewaltsame Störaktionen bleiben bisher aus.

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Die Zeit - Lars Eidinger: "Es bricht mir das Herz, dass ich nicht nach Russland fahren kann."