R.H. Quaytman, An Evening. Chapter 32, Secession 2017, Ausstellungsansicht

HANNES BÖCK

Vorsicht Genitalpanik!

Rebecca H. Quaytman in der Secession

Im Depot des Kunsthistorischen Museum in Wien hat die US-amerikanische Künstlerin Rebecca H. Quaytman zwei vergessene Gemälde des flämischen Meisters Otto van Veen gefunden. Sie zeigen Frauen in auffordernden Posen und können zumindest aus heutiger Perspektive als feministische Statements gelesen werden. Ausgehend von diesem Fund gestaltete Quaytman einen Fries aus 22 Gemälden, der bis Ende Jänner in der Wiener Secession zu sehen ist.

Morgenjournal | 17 11 2017

Christine Scheucher

Es wirkt wie die Antwort auf Donald Trumps viel zitierte Aufforderung, man solle einer Frau einfach zwischen die Beine fassen. Dabei stammt das Gemälde des flämischen Meisters Otto van Veen aus dem späten 16. Jahrhundert. Abgebildet sind Frauen, die in einer provokanten Geste, die Röcke lüften und ihren nackten Unterleib entblößen. Ein Anblick, der eine Gruppe persischer Krieger prompt in die Flucht schlägt. So sieht Frauenpower im Barock also aus. Vor einigen Jahren hat die US-amerikanische Künstlerin Rebecca H. Quaytman das Depot des Kunsthistorischen Museums in Wien besichtigt. Ein Besuch, der einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen hat.

"In den oberen Stockwerken werden Gemälde aufbewahrt, die als weniger bedeutend gelten. Wir gingen durch staubige Räume. Die Kuratorin Gerlinde Gruber zeigte mir unglaubliche Arbeiten. Sie fand die beiden Gemälde von Otto van Veen, als sie die Rubens-Ausstellung, die aktuell im Kunsthistorischen Museum zu sehen ist, vorbereitet hat. Es hat sich herausgestellt, dass die beiden Gemälde von Rubens´ Lehrer gemacht worden sind. Möglicherweise hat Rubens sogar einige der Figuren gemalt", sagt Rebecca H. Quaytman.

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Kampfzone Frauenkörper

Otto van Veen, ein Lehrer des großen Peter Paul Rubens, bezieht sich in seinem Gemälde "Die persischen Frauen" auf eine Anekdote des griechischen Gelehrten Plutarch, der wiederum zu berichten weiß, dass persischen Krieger, die vor dem Feind fliehen, von ihren Ehefrauen, Töchtern und Müttern zurück aufs Schlachtfeld getrieben werden.

Die Frauen konfrontieren die Flüchtenden mit ihrem nackten Geschlecht und sollen gesagt haben: "Ihr glaubt doch nicht, dass ihr euch auf der Flucht dorthin verkriechen könnt, wo ihr hervorgekrochen seid." In der jahrhundertelangen Geschichte der Malerei erscheint der nackte Frauenkörper als Objekt des männlichen Begehrens, ist voyeuristischen Blicken ausgesetzt. "Die persischen Frauen" aber, die van Veen darstellt, haben ganz offensichtlich die Kontrolle über den eigenen Körper, setzen ihn als Waffe ein.

"Vielleicht", sagt die US-amerikanische Künstlerin, "hat es vor der griechisch-abendländischen Tradition eine andere Körperpolitik, ein anderes Frauenbild gegeben." Basierend auf der Vorlage Otto van Veens hat Rebecca H. Quaytman, deren Malerei in der Konzeptkunst verankert ist, einen Fries aus 22 Gemälden gestaltet. Sie übermalt die Barocke Vorlage, verhüllt und verschleiert das explizite Motiv. Eine Bildanalyse mit visuellen Mitteln, so Secessions-Präsident Herwig Kempinger. "Oft sieht man in Rebecca H. Quaytmans Bearbeitung der Vorlage Element, die man im Original nicht genau sieht. Sie greift die Landschaft heraus, oder Figuren, die fast verdeckt sind, die sie sichtbar macht. Diese Figuren wirken fast wie unsichtbare Geistererscheinungen."

Malerei als Konzeptkunst

Eigens für die Schau hat Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek einen Text geschrieben, der sich der Kampfzone Frauenkörper widmet, dessen Entblößung und Verhüllung immer schon ein Politikum gewesen ist. Auf der einen Seite die Diskussion über Kopftuch-, oder Burka-Verbot, auf der anderen Seite die Forderung, den weiblichen Körper zu verhüllen, ja unsichtbar zu machen. Mit ihrer künstlerischen Analyse bringt sich Rebecca H. Quaytman in ein Debattenfeld ein, das uns wohl auch in Zukunft beschäftigen wird.

Service

Secession - R. H. Quaytman. An Evening. Chapter 32 - 17. November 2017 bis 28. Jänner 2018
Elfriede Jelinek
Vienna Art Week - 13. bis 19. November 2017