The New York Times Gebäude

AP/RICHARD DREW

Erlösmodelle

Print-Ikonen zeigen, wie es gehen kann

Im Oktober hat der britische "Guardian" durch die Beiträge von 800.000 Unterstützern erstmals mehr Geld erlösen können als durch Werbung. Der "Guardian" kann im Netz ohne Paywall gelesen werden, die Nachricht ist also umso erfreulicher für die Zeitungsbranche. Seit Jahren leidet sie unter der selbst verschuldeten Gratismentalität, zu lange wurden Inhalte im Internet hergeschenkt. Auch die US-Print-Ikonen "New York Times" und "Washington Post" nehmen mittlerweile mehr Geld durch ihre sogenannten Subscription-first-Modelle ein als durch Werbung. Für den kleinen österreichischen Zeitungsmarkt ist das zwar ein Ansporn, aber keine Lösung.

Die "New York Times" hat bereits mehr als zwei Millionen bezahlte Digital-Abos gegenüber einer Million Abonnenten der gedruckten Zeitung. Das Wachstum ist enorm und so wie bei der "Washington Post" dem sogenannten Trump-Bump geschuldet. So nennen die Amerikaner den Effekt, den der 45. Präsident der Vereinigten Staaten mit seiner ewigen Medienschelte und seiner politischen Sprunghaftigkeit ausgelöst hat. Die Times gewinnt derzeit mehr als 100.000 Abonnenten der Digitalausgabe pro Quartal dazu, Mark Thompson, der CEO der New York Times Company, hat 10 Millionen Abonnenten als ambitioniertes Fernziel genannt. Er sieht das in einem globalen Rahmen.

Zehn Millionen Abos als Fernziel

Genau deshalb sei das auch kein Modell für Österreich, sagt Horst Pirker, Mehrheitseigentümer und Chef der Verlagsgruppe News, die jetzt nach einer langen Durststrecke wieder schwarze Zahlen schreibt. Pirker: "Wir sprechen über Welt-Ikonen, das macht eine Sonderstellung, und das Zweite ist, die haben einen riesigen Binnenmarkt, der noch dazu einen Weltmarkt öffnet, weil die Weltsprache Englisch das erlaubt."

Superreiche als Medien-Tycoons

Und sowohl die "Washington Post" - die Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört - als auch die "New York Times" mit dem mexikanischen Mobilfunk-Tycoon Carlos Slim als größtem Einzelaktionär hätten Eigentümer, die sich Zeitungen aus Liebhaberei halten könnten. Bezos und Slim zählen zu den reichsten Menschen der Welt.

Ansporn, aber keine Lösung für Österreich

Nicht einmal andere amerikanische Medienhäuser können da mithalten, und schon gar nicht ein Acht-Millionen-Markt wie Österreich. Hier werde Werbung für die Zeitungen ein "lebensentscheidendes Standbein" bleiben, sagt Horst Pirker. Aber die Welt-Ikonen zeigen immerhin vor, dass etwas weitergeht. Und weitergehen muss etwas: Denn die Rubriken mit Stellenanzeigen, Auto- und Wohnungsangeboten, mit denen man lange Zeit schönes Geld verdient hat, sind heute auf Internet-Marktplätzen. Die Internet-Giganten Google, Facebook und Amazon saugen Hunderte Werbemillionen ab.

Print-Umbruch langsamer als anderswo

Das ist ein Umbruch, auf den die österreichischen Medienhäuser erst spät reagieren. Noch ein Glück ist, dass Österreich immer ein sehr starkes Zeitungsland war. Das gibt Spielraum, weiß der Medienökonom Matthias Karmasin: "Der Umbruch findet in Österreich langsamer statt als in anderen Ländern. Wir sind beim Medienkonsumverhalten immer noch ein sehr traditionelles Land." Wie traditionell, das zeigt ein Beispiel von Hermann Petz, er ist Chef der Moser-Holding mit dem Flaggschiff "Tiroler Tageszeitung". Diese starke regionale Marke hat 75.000 Print-Abonnenten, jeder Einzelne hat automatisch auch Zugang zum Digital-Abo – das trotzdem nur schwach genutzt wird.

Mehr Zeitungsleser bei älteren Mediennutzern

Die Trägheit der treuen Abonnenten

Petz: "Das machen von den 75.000 Abonnenten übers Jahr gesehen nur 10.000, die meisten davon nur kurz – nämlich im Urlaub. Das Digital-Angebot als Bonus für Print-Abonnenten gibt es schon seit sieben Jahren, die Nutzung ist aber kaum gestiegen. Das ist verblüffend." Auch Gerold Riedmann, Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten und Mitglied des Vorstands von Russmedia, hat da seine Erfahrungen. Wenn überhaupt, dann werde digital das E-Paper, im Prinzip ist das ein PDF-Dokument, angenommen. "Das ist eigentlich anachronistisch, eine Nachbildung des gedruckten Mediums unter völliger Missachtung der Fähigkeiten des neuen Mediums."

Das E-Paper, ein Anachronismus

Richtig digital, da gehören zum Beispiel Bewegtbilder und interaktive Grafiken dazu, eine ganz andere Welt. In Skandinavien tut sich viel in dieser Richtung, Gerold Riedmann kennt etwa ein norwegisches Beispiel, wo eine regionale Zeitung als echte Online-Zeitung mit Bezahlmodell funktioniert. In Österreich wollen die Leser und Leserinnen behutsam an neue Verhältnisse herangeführt werden. Für die regionalen Monopolisten wie VN und TT gilt das umso mehr, sie haben es mit über Jahrzehnte gelernten Mustern zu tun, die die Leserbindung fördern.

Galgenfrist für starke Regional-Titel

Diese Treue ist andererseits sehr hilfreich bei den Erlösen - um Werbeaufträge müssen sich die regionalen Marken noch keine Sorgen machen. Sie haben eine Art Galgenfrist, wie der Tiroler Hermann Petz einräumt: "Da haben wir wahrscheinlich gute Chancen, noch eine Sonderstellung zu haben. Aber natürlich wirkt der Gesamtmechanismus auch für uns. Niemand von uns weiß genau, wie schnell das geht." Wobei Petz die Hoffnung hegt, dass Print als fast schon wieder innovatives Produkt überlebt. Die Menschen kauften sich mit der Zeitung eine "analoge Auszeit" in dem ganzen digitalen Getriebe.

Junge Mediennutzer sind online

Zeitungswerbung fast "komfortabel"

Von den knapp vier Milliarden Euro, die 2016 in Österreich für Werbung ausgegeben worden sind, flossen immer noch gut die Hälfte an die Zeitungen, ein knappes Drittel war Fernseh-Werbung, sechs Prozent Radio und sieben Prozent Online. Die Umsätze von Google & Co. sind da nicht inkludiert. Michael Tillian, früher Vorstand der Regionalmedien Austria und der Tageszeitung Die Presse, heute Chef von Russmedia International, nennt das sogar "komfortabel".

Starker Druck im Qualitätssegment

Österreich war immer schon ein starkes Zeitungsland mit für die Werbewirtschaft attraktiven Reichweiten durch nationale und regionale Platzhirschen, die entsprechend günstige Tausend-Kontakte-Preise haben - das ist die Maßzahl für die Branche. Den Druck spüren hierzulande vor allem nationale Qualitäts-Zeitungen wie Die Presse und Der Standard, aber auch der Kurier. Und General-Interest-Magazine wie das nach wie vor defizitäre und gefährdete News.

Gefährliche Strategie des "Standard"?

Immer wieder wird spekuliert, dass es im Qualitäts-Segment über kurz oder lang zu einer Bereinigung kommen könnte. Die Verantwortlichen versuchen gegenzusteuern. Die zur Styria-Gruppe gehörende Tageszeitung Die Presse versucht es wie die Kleine Zeitung aus dem selben Haus mit einem Premium-Modell. Der Standard mit seinem starken Online-Auftritt geht einen anderen Weg, weiterhin ohne Paywall oder Bezahlschranke, mit einem Deutschland-Ableger, um die Reichweite zu steigern und Dinge für den österreichischen Markt auszuprobieren. Eine gefährliche Strategie, bei der Der Standard Österreich verlieren und Deutschland nicht gewinnen könnte, warnt Horst Pirker.

Pirker: Relevanz-Verschiebung zur "Presse"

"Ich glaube, dass eine Relevanz-Verschiebung zwischen Standard und Presse schon stattgefunden hat. Und ich wünsche mir mit Blick auf den Standard nicht, dass sich diese Relevanz-Verschiebung fortsetzt", betont der Chef der Verlagsgruppe News. Standard-Geschäftsführer Alexander Mitteräcker will ja verstärkt eine Online-Strategie fahren, wie er #doublecheck im Sommer exklusiv verraten hat. Mit Algorithmus, User-Generated-Content und allem Drum und Dran. Umsetzen soll das Martin Kotynek von Zeit-Online, der seit 1. November als Standard-Chefredakteur im Amt ist, aber noch nicht über seine konkreten Pläne sprechen will.

Kann es ohne Werbung auch gehen?

Es soll Medienhäuser im benachbarten Ausland geben, die solche Extremszenarien schon durchgerechnet haben - ob es denn auch ohne Werbe-Erlöse funktionieren könnte. Tatsächlich verursacht der Anzeigenverkauf beträchtliche Kosten, fallen die Umsätze unter ein gewisses Niveau, könnte man sich diese Kosten ersparen. Gerold Riedmann von Russmedia beziffert die Verkaufskosten bei hohen Umsätzen mit 15 Prozent, bei kleineren Umsätzen kann auch die Hälfte für den Verkauf draufgehen. Man braucht Mitarbeiter, die zu den Kunden gehen, und man braucht Geschäftsstellen. Das sind Kosten, die sich theoretisch einsparen ließen.

Kann es ohne Papier auch gehen?

Das gilt auch für eine forcierte Umstellung von der gedruckten Zeitung auf E-Paper, da würden schlagartig die Kosten für Druck und Vertrieb wegfallen. Theoretisch. Noch einmal Gerold Riedmann: "Du kannst nicht zu den Abonnenten sagen: Da habt ihr alle ein iPad, wir stellen hier nicht mehr zu. Das ist eine Zeit, wo beide Wege ihre Berechtigung haben. Das mit einem Knopfdruck umzustellen, oder einzelne Tage herauszunehmen – zum Beispiel nur am Wochenende eine gedruckte Zeitung, das kann man machen. Es ist aber brandgefährlich, man beginnt, sich damit selbst aufzugeben."

"Schnitzel bestellt, nicht Schweinsbraten"

Ganz abgesehen davon, so Hermann Petz von der Moser-Holding, wäre es ein Affront gegenüber den Abonnenten. "Die haben das nicht bestellt. Die wollen ein Schnitzel und bekommen einen Schweinsbraten." Geht gar nicht. Willkommen in der österreichischen Print-Realität.

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Nieman Lab - Interview mit dem CEO der New York Times Mark Thompson

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