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WAGENBACH VERLAG

Roman

"Herr Kato spielt Familie" von M. M. Flasar

Milena Michiko Flasar, österreichische Autorin mit japanischer Mutter, erregte vor ein paar Jahren mit ihrem Roman "Ich nannte ihn Krawatte" Aufsehen. Jetzt hat die 37-Jährige einen neuen Roman veröffentlicht: "Herr Kato spielt Familie", ein Buch über das Scheitern von Pensionisten-Ehen und über gemietete Verwandtschaft.

Morgenjournal | 05 02 2018

"Ein berührend-melancholisches Kammerspiel"

Kristina Pfoser

Ruhestand - ein wunderbares Thema

Auf den ersten Blick ist er kein Sympathieträger, dieser Herr Kato. Vom Pensionsschock gebeutelt, streift er ziellos-verloren durch die Gegend, um die Zeit totzuschlagen; daheim plagt er seine Frau abwechselnd mit Vorwürfen, Wutausbrüchen und mit seinem Machogehabe. Über die Jahre hin ist sie ihm fremd geworden.

"Rente, Ruhestand - das ist ein wunderbares Thema", meint Milena Michiko Flasar. "Da geht es um die großen Identitätsfragen und auch um spirituelle Fragen: Wer bin ich, wenn ich nichts mehr leiste? Wer bin ich, wenn ich nicht mehr aktiv teil habe am Leben? Wird das immer so weiter gehen? Was ist wenn ich krank werde?"

Ein schwieriger Held

Diese Fragen quälen auch Herrn Kato und wir sind mit dabei, wenn Milena Michiko Flasar detailreich seine Innenwelt ausleuchtet und ein einfühlsames Psychogramm eines schwierigen Helden zeichnet. "Ich muss ganz ehrlich sagen, ich liebe ihn", sagt Milena Michiko Flasar, "auch wenn er unleidlich ist. Hinter seinen Wutanfällen zum Beispiel verbirgt sich eine gewisse Hilflosigkeit. Aber was er sich gegenüber seiner Frau leistet, das würde ich an ihrer Stelle nicht ertragen wollen."

Retired-Husband-Syndrome

Das Übel hat einen Namen: RHS, das Kürzel steht für Retired-Husband-Syndrome, auf Deutsch: Männer im Ruhestand-Syndrom, eine psychosomatische Erkrankung. Betroffen sind Frauen in traditionellen Ehen nach dem Pensionsbeginn ihrer vielbeschäftigten Männer. Die plötzliche Daueranwesenheit wird als Stress empfunden.

Die Symptome reichen von Schlaflosigkeit, Rückenschmerzen und Asthma, bis hin zu Hautirritationen, Sprachstörungen und Herzbeschwerden. In Japan wird dieses Phänomen in Zusammenhang mit der Scheidungsrate gesehen, die in den vergangenen Jahren bei Pensionisten signifikant gestiegen ist. Und in Japan, im Land ihrer Mutter, hat Milena Michiko Flasar auch ihre Geschichte angesiedelt.

Rent a family

"Wenn ich Abstand zu den Dingen habe, kann ich sie in besser ihrer Bandbreite erkennen", erklärt sie. "In Japan ist man sehr schnell dabei, Trends in der Gesellschaft aufzuspüren, ihnen einen Namen zu geben und das auch öffentlich und medial zu diskutieren." Aus Japan kommt auch ein anderer Trend, eine Idee, die Herrn Kato aus der Misere rettet: Agenturen, die Freunde oder Verwandte vermieten.

"Derzeit sehr gefragt sind Freunde, die für ein Selfie neben einem posieren oder auch Väter, die bei Sportveranstaltungen das Kind anfeuern und mit der Videokamera hinterherlaufen", weiß Milena Michiko Flasar, oder auch Gäste für eine Privatparty mit lauter gemieteten Gästen - inklusive toller Fotos für Instagram und Facebook.

Herr Kato spielt Familie

Herr Kato lässt sich jedenfalls von "Happy Family" engagieren: als Zuhörer einer einsamen Frau oder als Festredner auf einer Hochzeit. Wir beobachten ihn bei seinen Übungen, das Lächeln zu erlernen und nehmen Anteil an seinen Zweifeln und seinen Versuchen, einen Platz in seinem eigenen Leben zu finden. Und zu guter Letzt versteht man auch die Sympathie, die Milena Michiko Flasar für ihren Helden hegt, in diesem berührend-melancholischen Kammerspiel.

Service

  • Milena Michiko Flasar, "Herr Kato spielt Familie", Roman, Wagenbach
  • Milena Flasar

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