Verschneites Haus mit Wäscheleine

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Praxis

Kriegskinder in der Ukraine

Der frisch gefallene Schnee lässt die Stadt Slowjansk im Osten der Ukraine fast malerisch wirken. Doch der Schein trügt: Noch 2014 war die Stadt umkämpft zwischen ukrainischer Armee und den Separatisten. Auch wenn die Einschusslöcher, Wunden in den Hausfassaden, ausgebessert wurden, die Wunden in den Seelen der Kinder sind geblieben.

Die 36-jährige Yulia begrüßt uns in ihrer ärmlichen Eineinhalb-Zimmer-Wohnung, die sie mit ihren beiden Söhnen bewohnt. Sie sind vor eineinhalb Jahren aus Cholivka in der Nähe von Donjezk vor den Kämpfen geflohen. Die Sehnsucht nach Zuhause ist groß, dort sei alles gut gewesen, sagt Yulia mit tränenerstickter Stimme.

"Wisst Ihr eigentlich, dass da drin Kinder leben? Ihr dürft nicht schießen."

Der 12-jährige Maksim hat Asthma, muss deshalb immer wieder ins Spital, und die Erinnerungen an den Krieg quälen ihn. "Ich will nicht mehr nach Cholivka zurück. Dort ist alles schrecklich und traurig", sagt der Bub leise. "Separatisten haben damals unser Haus umstellt und wollten schon darauf schießen. Aber Passanten haben gesagt: "Wisst Ihr eigentlich, dass da drin Kinder leben? Ihr dürft nicht schießen."

Maksim macht sich Sorgen um seinen Vater, der noch immer in Cholivka lebt, weil er das Haus der Familie nicht einfach aufgeben möchte, damit sie nach dem Krieg wieder dorthin zurückkehren könnten. Doch wann das sein wird, dieses Nach-dem-Krieg, das weiß hier keiner.

"Vor dem Krieg sind wir alle auf die Krim auf Urlaub gefahren, Russen und Ukrainer."

Yulia hat wenig Hoffnung, dass es bald vorbei sein könnte. Sie könne den ganzen Konflikt nicht verstehen, meint sie: "Es wird gesagt, dass der Krieg im Donbas begonnen hat, um zu verhindern, dass auf der Krim ein bewaffneter Konflikt ausbricht. Aber vor dem Krieg sind wir alle auf die Krim auf Urlaub gefahren. Das war unser Haupterholungsgebiet, für Russen und für Ukrainer. Und wir konnten jederzeit nach Russland rüber fahren. Aber das ist jetzt alles anders geworden."

Mädchen in einer ukrainischen Tagesstätte

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Früher habe ihr Mann in einem Fleischkombinat gearbeitet, aber jetzt könne er die Familie nicht unterstützen, erklärt Yulia, denn in der Pufferzone gäbe es kaum mehr Arbeitsplätze. Finanziell sind Yulia und ihre Kinder auf sich allein gestellt, sind dankbar für jede Hilfe, die sie von der Caritas bekommen: Lebensmittel, Heizmaterial und demnächst auch einen Platz in einem der Kinderzentren, wo Psychologinnen dabei helfen, die Erlebnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten und die Jüngsten beim Malen, Basteln oder Tanzen endlich wieder einmal unbeschwert Kind sein dürfen.

"Kinderzentren sind oft auch die einzigen Orte, an denen es warmes Wasser gibt, die Heizung funktioniert und ausreichend zu essen da ist."

Michael Landau

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Michael Landau

Caritas-Präsident Michael Landau stellt fest, Schulen und Kindergärten böten nicht nur Bildung, sie seien auch Indikatoren für Normalität und Stabilität, geben Kindern Sicherheit und Struktur. "In den Kinderzentren bekommen Kinder nicht nur Unterstützung, um die Traumatisierungen des Kriegsalltags verarbeiten zu können, es sind oft auch die einzigen Orte, an denen es warmes Wasser gibt, die Heizung funktioniert und ausreichend zu essen da ist. Es sind Orte, wo Kinder, Kinder sein können und Kräfte für die Zukunft sammeln."

Die Caritas betreibt in der Ukraine 15 solcher Kinderzentren und unterstützt eine Reihe weiterer Einrichtungen, in denen tausende Kinder in ihrer psycho-sozialen Entwicklung gefördert werden.

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