Maxim Kantor

APA/HANS PUNZ

Roman

"Rotes Licht" von Maxim Kantor

Maxim Kantor gehört zu den international renommiertesten Künstlern Russlands, spätestens seit 1997, als er bei der Biennale in Venedig den russischen Pavillon gestaltet hat. Bereits damals war er auch als Autor erfolgreich und als Autor ist er jetzt auch hierzulande zu entdecken: Sein jüngster Roman "Rotes Licht" ist ein Porträt Russlands auf mehr als 700 Seiten, angekündigt als "Roman eines gottverlassenen Jahrhunderts".

Morgenjournal | 19 02 2018

Kristina Pfoser

Derzeit ist Kantor Visiting Fellow am Institut für die Wissenschaft vom Menschen in Wien und Montagabend präsentiert er das Werk in der Alten Schmiede.

Das sterbende Europa

"Rotes Licht" - das ist ein wahrhaft monumentaler und vielschichtiger Roman, ein überbordend erzähltes Epos. Die existenziellen Fragen nach Macht und Moral werden da ebenso verhandelt wie die Politik und ihre Mechanismen. Die Geschichte beginnt in der Gegenwart mit dem Satz: "Der Held dieses Buches lag im Sterben, so wie Europa und die Demokratie."

"Es ist nicht das erste Mal, dass die Idee von Europa geschmäht wird und in Turbulenzen ist."
Maxim Kantor

Gespenster der Vergangenheit

In seinem Roman erweckt er die Gespenster der europäischen Geschichte zum Leben und lässt sie auf die Monster russischer Vergangenheit und Gegenwart treffen. Ein nahezu unüberschaubares Figurentableau ist da am Werk, mit historisch verbürgten und erfundenen Figuren, und geschickt kombiniert Kantor Fakten und Fiktion.

"Es ging mir um die Frage: Wie kann man in einem Zeitalter, das von zwei grausamen, katastrophalen Kriegen und von Revolutionen zerborsten war, eine Idee von Demokratie und Freiheit entwickeln", erklärt Maxim Kantor. "Wie ist es möglich, da einen christlichen Humanismus zu wahren, das Herz der europäischen Zivilisation."

Tour de Force durch ein Jahrhundert

Kantor nimmt die Leser mit auf eine Tour de Force kreuz und quer durch ein Jahrhundert: von Putins Russland zur Oktoberrevolution, vom russischen Bürgerkrieg ins Nazi-Deutschland, dazwischen die Kämpfe des Zweiten Weltkriegs, die Propagandamaschinerie, Stalins politische Repressionen, und unter die Machthaber, Revolutionäre und Dissidenten mischt sich Mephisto. Bulgakow lässt grüßen.

Als der erste Teil des Romans anno 2013 in Russland erschien, wurde er nicht zuletzt auch als Abrechnung mit dem russischen Patriotismus und der liberalen Opposition von heute gelesen. Darum sei es ihm aber nicht gegangen, sagt Maxim Kantor. "Ich wollte verstehen und ich wollte die Dinge beim Namen nennen. Die westlichen Leser und auch ein Großteil des russischen Volkes sitzen noch immer dem Trugbild auf, dass es in Russland einen Kampf zwischen Patrioten und Liberalen gibt etc. Diesen Schwindel, dieses Marionettenspiel wollte ich beschreiben."

Russlands Kolonialkrieg

Das hat schließlich dazu geführt, dass Maxim Kantor seinen Namen auf einer Liste von "100 Staatsfeinden" wiederfand. Für Teil zwei von "Rotes Licht" gab es keine Druckerlaubnis mehr. Nach der Annexion der Krim habe er sich entschlossen, seine Heimat zu verlassen, sagt Maxim Kantor, heute lebt er in Frankreich.

"Diese Attacke auf die Ukraine war nichts anderes als ein imperialistischer Krieg, ein Kolonialkrieg." Maxim Kantor

"Dem Volk wurde das als Kampf gegen den Faschismus verkauft. Aber in Wirklichkeit ging es nur darum, den schlafenden patriotischen Instinkt zu wecken. Anstelle von Wohlstand wird dem Volk die Idee eines Krieges gegeben und der alte Trick Gewehre-statt-Butter funktioniert wie immer gut."

Fortsetzung folgt?

Eine Fortsetzung von "Rotes Licht" gibt es bereits: Der 1.200 Seiten-Roman "Zeichenlehrbuch" über die Moskauer Kultur-Elite wartet noch auf eine Übersetzung. Bevor es soweit ist, kann man Kantor in Wien als Künstler begegnen - eine Ausstellung in der Akademie der bildenden Künste eröffnet Anfang Oktober.

Service

Maxim Kantor, "Rotes Licht", Roman, aus dem Russischen von Juri Elperin, Sebastian Gutnik, Olga Korneev und Claudia Korneev, Zsolnay Verlag
Alte Schmiede - Lesung von Maxim Kantor am Montatg, den 19. Februar 2018

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