Ein Frau hält ein Smartphone in den Händen

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Matrix

Suchtmittel Smartphone?

Der Griff zum Smartphone - manchmal hat man den Eindruck, er ist fast so automatisch wie das Zubereiten des Kaffees in der Früh oder das Anzünden einer Zigarette. Oder im Sozialen Netzwerk: man scrollt von einem Beitrag zum nächsten, obwohl man eigentlich nur ganz kurz auf Facebook vorbeischauen wollte. Soziale Medien und Apps schaffen es recht gut, uns immer wieder aufs Neue an sie zu fesseln. Der Sozialpsychologe Adam Alter warnt in seinem Buch "Unwiderstehlich" davor, dass uns moderne Alltags-Technologien abhängig machen können.

Kann man bei der alltäglichen Nutzung von Smartphones und Sozialen Medien tatsächlich von Sucht sprechen? Es sei auf jeden Fall Suchtpotential da, findet Adam Alter, Professor für Marketing an der Stern School of Business der New York University. Für ihn sind es aber nicht die Geräte, die uns süchtig machen, sondern geschickt gestaltete Software.

Es fällt uns beispielsweise schwer, unberechenbaren Belohnungen zu widerstehen: "Denken Sie an einen Menschen, der im Casino vor einem Glückspielautomaten sitzt. Er spielt immer wieder und hofft, dass er genau dieses Mal gewinnt. Im Grunde laufen viele der Erfahrungen, die wir vor unseren Bildschirmen haben, ähnlich ab", sagt Adam Alter. Wir würden online zwar nicht auf einen Jackpot hoffen, aber es könnte doch etwas Wundervolles oder Unerwartetes passieren. Dieses unvorhersehbare Feedback würde es schwierig für uns machen, der Erfahrung zu widerstehen.

Der Like-Button von Facebook

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Heute werden diese psychologischen Tricks laut Adam Alter von den meisten erfolgreichen Social Media-Plattformen eingesetzt. Schließlich wollen die Unternehmen uns möglichst lange auf ihren Plattformen halten. Der Like-Button auf Facebook ist für Adam Alter ein gutes Beispiel dafür, denn wir würden nie genau wissen, wie viele Likes wir für ein Posting bekommen werden. Und deswegen posten wir immer wieder und hoffen, dass wir dieses Mal dutzende oder sogar hunderte Likes bekommen.

"Wenn wir ein Buch lesen, erwarten wir das Ende des Kapitels. Bei einer Fernsehserie wissen wir, dass diese in Folgen geteilt ist. Facebook geht dagegen immer weiter. Und das macht es schwierig, aufzuhören."

Geht es nach Adam Alter von der New York University, handelt es sich im Zusammenhang mit Smartphones und Sozialen Medien um eine Verhaltenssucht, dazu kann das ständige Checken von E-Mails über Soziale Medien, Video-Spiele, Online-Shopping bis hin zu Fitness-Trackern gehören. Aber ist Verhaltenssucht nicht ein sehr starker Begriff für den alltäglichen Gebrauch von Sozialen Medien, Smartphones und Co.? Schließlich kann man den Fitness-Tracker ja jederzeit vom Handgelenk nehmen und das Handy einfach ausschalten.

Natürlich könne man eine solche Verhaltenssucht nicht mit einer Heroinabhängigkeit vergleichen, aber die Wissenschaftler würden durchaus Entzugserscheinungen feststellen und auch, dass eine Toleranz entstehe, sagt Adam Alter: "Nehmen Sie einen Fitness-Tracker: Anfangs versuchen Sie 10.000 Schritte am Tag zu gehen. Wenn Sie das schaffen, wird das Ziel bald langweilig. Also gibt es ein neues: 11.000 Schritte, 12.000. Es findet eine ständige Ziel-Steigerung statt, man entwickelt eine Toleranz. Das Ziel, das noch vor kurzem beim Erreichen ein angenehmes Gefühl ausgelöst hat, ist plötzlich nicht mehr genug. Niemanden interessiert heute das Ziel von gestern."

Jeder von uns sollte fixe Barrieren haben oder bauen. Barrieren, hinter denen sozusagen eine technologiefreie Zeit existiert.

Das Hauptproblem ist für Alter nicht unbedingt, dass Erwachsene ständig wie süchtig nach dem Smartphone greifen, sondern dass Kinder und Jugendliche das ebenfalls tun und damit weniger Zeit für "Offline-Interaktion" bleibt.

Gerade bei jüngeren Menschen ist es aber schwierig, die Geräte einfach wegzulegen oder zu verbieten, weil das Smartphone für viele Jugendliche der Hauptkanal ist, über den sie mit ihren Freundinnen und Freunden kommunizieren. Adam Alter betont: "Es geht nicht darum, Technologien zu verbieten, sondern darum, eine gesunde Balance zu finden."

Buch-Tipp

Unwiderstehlich. Der Aufstieg suchterzeugender Technologien und das Geschäft mit unserer Abhängigkeit, Adam Alter, Berlin Verlag, 2018.