Mario Vargas Llosa

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Buch

Vargas Llosas Essayband über Liberalismus

Mario Vargas Llosa ist der letzte noch lebende Autor des "Booms" der lateinamerikanischen Literatur. Er stammt aus Peru und hat sich früher - wie die meisten seiner Schriftstellerkollegen - für linke Ideen begeistert. Im Gegensatz etwa zu seinem Freund Gabriel Garcia Marquez hat Vargas Llosa diesem Gedankengut abgeschworen und sich dem Liberalismus zugewandt. Im Jahr 1990 ist er in Peru zur Präsidentenwahl angetreten, hat aber verloren. 2010 hat er den Nobelpreis für Literatur bekommen. Nun ist er 81, lebt in Spanien und hat einen neuen Essayband herausgebracht, über den Liberalismus.

Mittagsjournal | 19 03 2018

Josef Manola

Was kann Politik für die Menschheit leisten?

Der Nobelpreisträger mit peruanisch-spanischer Doppelstaatsbürgerschaft gehört zu den populärsten Autoren spanischer Sprache. Zu seinem vielfältigen literarischen Werk mit internationalen Bestsellern kommt seine Facette als Politiker, der in den 1980er Jahren in Peru für den Liberalismus warb und sich um das Amt des Staatspräsidenten bemühte. In einer Stichwahl unterlag er dem beunruhigenden Alberto Fujimori, der nach zehnjähriger Amtszeit wegen Korruption und Verletzung der Menschenrechte abgesetzt und zu einer langjährigen Haft verurteilt wurde, um aus gesundheitlichen Gründen Anfang dieses Jahres aus dem Gefängnis entlassen zu werden.

Diese für den Autor und sein Land bittere Erfahrung beschäftigt Vargas Llosa bis heute. Immer wieder stellte er sich in Artikeln der Frage, was Politik für die Menschen leisten kann. In dem soeben auf Spanisch erschienenen Essayband mit dem Titel "La llamada de la tribu" (Der Ruf des Stammes) postuliert Vargas Llosa den Liberalismus als radikale Form der Demokratie, der die wichtigsten demokratischen Reformen ausgelöst habe.

"Jeder Nationalismus führt zu Unterdrückung"

Als Kontrahenten der individuellen Freiheiten sieht der Autor das, was er den "Stammesgeist" bezeichnet. Mit Hilfe nationalistischer Ideen würden Emotionen geschürt, um die Identität der kleinen Einheit, des Stammes zu bewahren und vor äußeren Einflüssen zu schützen.

"Ich meine die kleinen gesellschaftlichen Einheiten, in denen die Mitglieder einen Glauben teilen und dieselbe Sprache sprechen", sagt Vargas Llosa. "Das erklärt Erscheinungen, wie den Brexit, den katalanischen Nationalismus oder die jüngsten Entwicklungen in Polen und Ungarn. Jeder Nationalismus enthält eine Form des Rassismus und führt zur Unterdrückung von Freiheiten."

Fortschrittlichste Entwicklung unserer Zeit

Als größten Feind der Demokratie bezeichnet der 81-Jährige den Populismus. Niemand, meint der Nobelpreisträger von 2010, würde sich ernsthaft ein politisches System der Entbehrung und Unterordnung wie in Nordkorea, Venezuela oder Kuba wünschen. Anstelle des Kommunismus sei der Populismus getreten, der die demokratischen Systeme von innen zerstöre. Dagegen müssten sich die großen Demokratien wehren.

"Die fortschrittlichste Entwicklung unserer Zeit ist die Gründung großer Einheiten, wie in Europa, wo die Grenzen langsam verschwinden und soziale Gefüge entstehen, in denen unterschiedliche Sprachen, Kulturen und Religionen Platz haben", so der Autor.

Der Nobelpreisträger ist nicht nur Protagonist des Kulturbetriebs, dessen politische Meinungen immer wieder auch heftigen Widerspruch provozieren. 2011 wurde Vargas von König Juan Carlos geadelt und seit seiner Liaison mit der Ex-Frau von Sänger Julio Iglesias findet man ihn auch auf den Titelseiten der Illustrierten. Dort wird der bald 82-Jährige nicht zu Literatur oder Politik befragt, sondern zur Auseinandersetzung mit den erwachsenen Kindern, die sich der neuen Beziehung entschieden entgegenstellen.

Service

Mario Vargas Llosa, "La llamada de la tribu - Ensayo sobre liberalism", Alfaguara

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