Mann mit Gesichtsmaske liegt auf einem Tisch (AMOS‘ WORLD, 2017)

Cécile B. Evans/Yuri Pattison

Die digitale conditio humana

Cécile B. Evans im mumok

Das Internet ist ihre Fundgrube, Animationen ihr ästhetisches Material. Die Kunst der so genannten digital natives firmiert seit gut zehn Jahren unter dem Etikett „Post-Internet-Art“. Die 35-jährige belgisch-amerikanische Künstlerin Cécile B. Evans gehört zu den gefeierten Stars dieser Szene. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie die Digitalisierung unser Menschenbild verändert. Ihre Arbeiten wurden bereits bei der Berlin Biennale und in der Tate Liverpool gezeigt - und jetzt auch im Museum für moderne Kunst in Wien (mumok).

Morgenjournal | 21 03 2018

Christine Scheucher

Was passiert mit den Konten, die wir in Sozialen Netzwerken angelegt haben, nach unserem Tod? Leben wir als digitale Avatare ewig weiter? Wie beeinflussen menschenähnliche Roboter, die in Zukunft möglicherweise zu unserem Alltag gehören werden, unser Zusammenleben? Welche Bedeutung hat das Wort virtuell in einer Zeit, in der Drohnen für uns Bomben abwerfen und romantische Beziehungen immer öfter online beginnen?

Die digitale conditio humana

Die Künstlerin Cécile B. Evans geht in ihren Arbeiten der Frage nach, wie digitale Werkzeuge und Prothesen - vom Smartphone bis zum Computer - unser Alltags- und unser Gefühlsleben beeinflussen. Kurz: Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die conditio humana.

Ausstellungsansicht: Drei Gesichter und zwei Hände auf blauem Hintergrund

mumok/Klaus Pichler

"Es fällt mir schwer zu verstehen, was Leute meinen, die über Virtualität sprechen. Wenn sie das Wort 'virtuell' verwenden. Sprechen sie über Objekte, die wir jeden Tag verwenden? Unsere Telefone, unsere Computer. Sie beziehen sich auf die Art und Weise, wie wir täglich kommunizieren. Mit Freunden, unseren Eltern und Großeltern. Eigentlich ist das sehr real. Wenn ich zum Beispiel den ganzen Tag vor dem Computer sitze, schmerzt mein Rücken. Ich empfinde etwas in der physischen Realität. In meiner Arbeit untersuche ich die digitalen Werkzeuge, die in den letzten 30 Jahren entwickelt worden sind. Ich betrachte diese digitale Welt nicht als getrennte Sphäre, sondern ich verstehe sie als Expansion der realen, physischen Welt", so Cécile B. Evans.

Die Expansion der Physis

In ihrer Videoarbeit "Amos' World", die ab morgen im mumok zu sehen ist, wagt Cécile B. Evans einen unorthodoxen Vergleich: Sie zieht eine Parallele zwischen den urbanistischen Utopien der klassischen Moderne und den Netzwerk-Architekturen im digitalen Raum. Im Video begegnen wir Amos, dem Architekten eines riesigen Wohnkomplexes, der den perfekten Plan entwerfen will. Nur eines vergisst er: die Bedürfnisse der Bewohner und Bewohnerinnen. Nicht zufällig erinnert die Figur an den großen schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier, dessen Wohnbauten in Marsaille und Berlin Schule gemacht haben.

Stiegen in ein Gebäude, dahinter Video mit liegendem Mann

mumok/Klaus Pichle

"Le Corbusier hat seine Gebäude mit einer Stadt verglichen. Jedes Gebäude sollte wie eine eigene Stadt funktionieren. Diese Vorstellung erinnert an die Vorstellungen, die heute von männlichen, weißen Genies in den Tech-Industries formuliert werden. Sie bauen nicht wie die Visionäre der Moderne eine ganze Stadt in einem Gebäude. Sie bauen eine Gesellschaft innerhalb eines digitalen Netzwerks", so Cécile B. Evans, die mit "Amos' World" gleich eine ganze Fernsehserie plant.

Sie soll das Spannungsfeld zwischen Masterplan und Nutzung in den Blick nehmen. Teil eins dieser Serie wird nun im mumok gezeigt - eingebettet in ein architektonisches Setting, das den Besucher, die Besucherin der Ausstellung zwingt, in kleine Boxen zu klettern, die wohl nicht zufällig an die großen Silos des modernen Wohnbaus erinnern.

Ausstellungsansicht: Graues, fensterloses Gebäude

mumok/Klaus Pichler

Netzwerk und Masterplan

"Die Leute haben in diesen Gebäuden gelebt. Ihre Erinnerungen und Gefühle wurden zum Teil des Gebäudes. Die Architektur wiederum hat ihren Alltag geprägt. Das ist ähnlich wie mit USB-Sticks oder mit Mobiltelefonen, die wir in der Hosentasche tragen. Sie speichern unsere Erinnerungen, Fotos, Chats, Nachrichten, Musik und so weiter. Sie prägen die Art und Weise, wie wir uns fühlen und verhalten", sagt Cécile B. Evans über ihre Videoarbeit "Amos' World", in der digital animierte Darsteller und reale Darsteller aufeinandertreffen. Sie erkunden die Frage, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf unser Menschenbild hat.

Service

mumok - Cécile B. Evans – Amor’s World: Episode One. 23. März bis 1. Juli 2018

Gestaltung