Die Gruppe Frei.Wild

PATRICK SCHNEIDERWIND

Musik

Rechtsrock

Die Südtiroler Rockband Frei.Wild spielt auf ihrer aktuellen Tour dieses Jahr vor 120.000 Menschen. Ihr neuestes Werk "Rivalen und Rebellen" enthält nicht nur gleich 27 Songs, es landete sowohl in Österreich wie auch in Deutschland unangefochten auf Platz eins der Charts. Frei.Wild macht dennoch weniger wegen ihrer Musik Schlagzeilen, sondern sieht sich seit Jahren Vorwürfen ausgesetzt, sie würde mit dem politisch rechten Rand zumindest sympathisieren.

Traditionell liberale Blätter wie "Die Zeit" sprechen von einer "völkisch-nationalistischen Melange aus dem Rockmusikantenstadl", die Band selbst widerspricht seit Jahren scharf. Nun also ein neues Album - inmitten politischer Debatten rund um eine politische Renaissance rechter Ideologien allerorten.

Eigentlich ist der Echo-Preis die begehrteste Musik-Auszeichnung im deutschen Sprachraum und seine Verleihung ein Anlass für freudig gestammelte Danksagungen. Eigentlich. Denn bei Frei.Wild klingt das anders. "Dieser Preis soll als Symbol für Standhaftigkeit, Durchhaltevermögen und Widerstand gegen Engstirnigkeit und Ausgrenzung dienen", sagt Sänger Philipp Burger mit dem Preis in der Hand. Seine Band befindet sich seit Jahren im akuten Verteidigungsmodus - und hat daran zumindest teilweise selbst schuld.

Vor sechs Jahren wählte der Sänger in einer Erklärung auf dem YouTube-Kanal der Band eine schwammige Distanzierung, die Interpretationsspielraum eröffnet, wo doch Klarheit das deklarierte Ziel war. Dazu Philipp Burger heute: "Wir haben einen großen Fehler gemacht. Man hätte auf jede dieser Fragen sagen sollen: Hallo, mein Name ist Philipp Burger, ich war in meiner Jugend Nazi-Skinhead und bin es heute nicht mehr."

Bubenspiele

Burgers Geschichte ist so etwas wie die musikalische und jugendkulturelle Entsprechung des Reigens an Bubenspielen und Jugendsünden, die man aus der Vita mancher Politiker kennt. Ein Ausrutscher am - für noch nicht gefestigte Persönlichkeiten - allzu glatten ideologischen Parkett. Heute deklariert sich Burger als geläutertes Vorbild.

Anders als die Böhsen Onkelz, mit denen Frei.Wild immer wieder verglichen werden, gehen die Südtiroler mit ihrer öffentlichen Stigmatisierung offensiv um. Der Autor und Subkulturen-Forscher Klaus Farin weiß das aus eigener Erfahrung. Er schrieb ein Buch über die Band und war jahrelang hautnah dabei. "Dass ich nun ein eher links denkender Mensch bin, hat sie nicht daran gehindert, mir alles zugänglich zu machen", sagt Farin. "Ich habe es selten erlebt, dass eine Band so gesprächsbereit ist und auch zuhört."

Stadt vs. Land

Für Farin sind Frei.Wild weniger ideologisch in der Wolle gefärbte Rechtsrocker, sondern viel eher Symbol einer gesellschaftlichen Spaltung, die auch Österreich kennt. Der Präsidentschaftswahlkampf 2016 zwischen Alexander van der Bellen und Norbert Hofer war auch ein Duell zwischen dem Kandidaten des linksliberalen, urbanen Österreichs und jenem des rechtskonservativen ländlichen Österreich. Frei.Wild also auch deshalb so kontrovers, weil sie eine Sprachlosigkeit zwischen Stadt und Land lautstark artikulieren.

Zumindest taktisch unklug für eine nicht rechte Band ist es, auch auf rechts konnotierten Seiten gelobt zu werden. Der österreichische Verfassungsschutz bewertet Inhalte der Seite unzensuriert.at als "zum Teil äußert fremdenfeindlich" und attestiert "antisemitische Tendenzen". Genau diese Seite lobt Frei.Wild für ihre stramme Position gegen linke Extremisten. Eine Grenzüberschreitung, die richtigzustellen wäre. "Ich müsste es mir durchlesen, ich kann dazu jetzt gar nichts sagen." Um kurz darauf klarzustellen: "Es ist ganz egal, wer solche Dinge macht, ob extrem linke Menschen oder extrem rechte, Unrecht bleibt Unrecht. Das ist eigentlich die Aussage."

Ringen um die Deutungshoheit

Dass PopkulturRebellen sich 2018 mit zünftiger Lederhose inszenieren oder die heimische Bergidylle als Kraftquelle besingen irritiert manche. Nicht zuletzt auch Medienvertreter, deren eigene Sozialisierung Popmusik als links-liberal verortet. Es geht also auch um Deutungshoheit.

Im Moment lebt die Musik und das Geschäftsmodell von Frei.Wild von ihrem Rebellen-Image und einer stolz konservativ-heimatverbundenen Gesinnung. Dass dieses Modell so erfolgreich ist, sagt etwas über die aktuelle gesellschaftspolitische Grundstimmung aus, auch wenn Frei.Wild keine völkisch-rechtsradikale Musik machen.

Service

  • YouTube - Frei.Wild - Klare Worte von Philipp Burger
  • YouTube - Frei.Wild - Macht euch endlich alle platt

Gestaltung