Cilla Benkö bei einer Diskussionsveranstaltung.

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Öffentlich-Rechtliche

Schweden-Radio macht den Elchtest

Wird das lineare Radio aussterben? Wie sollen öffentlich-rechtliche Hörfunkanstalten auf Podcasts reagieren? Darüber spricht die Sveriges-Radio-Chefin Cilla Benkö im #doublecheck-Interview mit Nadja Hahn.

"Früher war das Radio die einzige Möglichkeit, um Audios zu hören. Heute gibt es viele Arten, Radio zu hören und auch viele verschiedene Formen des Radios", sagt Cilla Benkö, Chefin von "Sveriges Radio", dem öffentlich-rechtlichen Radio in Schweden. "Wir müssen umdenken, wir sollten die besten Anbieter von Audio sein."

Denn die Art, wie wir hören, hat sich durch Podcasts, Internetradio oder Sprachassistenten wie Alexa von Amazon – ein Gerät im Haushalt, dass Befehle ausführt, Fragen beantwortet und auch Radio abspielen kann - verändert. Vor allem junge Menschen hören online, was sie wollen und wann sie wollen. Die Schweden konzentrieren ihre Strategie für die Zukunft daher darauf, wie sie On-Demand-Hören ermöglichen können - also wie ihr Publikum im Internet oder via App die Inhalte des schwedischen öffentlichen Radios hören kann.

"Linear radio is definitely not dead - today"

Das lineare Radio ist dennoch nicht tot – noch nicht, sagt Cilla Benkö. Aber es muss sich verändern. Benkö glaubt, dass das klassische Radio in Zukunft hauptsächlich gehört werden wird, wenn es darum geht, "live dabei zu sein" - und für aktuelle Informationen und Nachrichten relevant bleiben wird. Formatradio – also ein Hörfunkprogramm, das sich nach einer bestimmten Musikrichtung und Sendungsauswahl richtet - werde sich hingegen auf On-Demand verlagern.

Gute Inhalte reichen nicht mehr

"Gute Inhalte zu haben, reicht nicht“, sagt Benkö. Das öffentlich-rechtliche Radio muss in einer hart umkämpften Branche um Aufmerksamkeit kämpfen, die Marke "Sveriges Radio" müsse im Netz gefunden werden: "Es zu schaffen, dass das Publikum auf dich aufmerksam wird, ist in einer globalen und digitalen Gesellschaft, in der es so viele Angebote gibt, die größte Herausforderung. Denn wenn die Menschen nicht wissen, dass es dich gibt, und nicht wissen, was du ihnen anbietest, dann werden sie dich sicher nicht aussuchen." Es gehe schlicht darum, die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Radios zu sichern, das in Schweden ausschließlich durch Gebühren finanziert wird, so Benkö.

Personalisiertes Radio via App

Kernstück für die Strategie der Schweden ist eine App namens "Sveriges Radio Play". Sie macht personalisiertes Radiohören möglich. Algorithmen stellen ein Programm zusammen, Redakteure sorgen dafür, dass eine Grundauswahl zum Beispiel von Nachrichten vorhanden ist. Die App ist auch die Plattform für die Podcasts der öffentlich-rechtlichen schwedischen Radiosender. Zwei Millionen Mal ist die App bereits heruntergeladen worden.

Podcasts funktionieren anders

Podcasts werden für das schwedische Radio immer wichtiger. "Sveriges Radio" entwickelt dafür eigene Formate. Bestehende Programme oder Sendereihen einfach auch als Podcasts anzubieten, sei der falsche Weg. "Podcasts sollten eigens für das On-Demand-Hören produziert werden. Und dafür braucht es einen anderen Zugang, Geschichten müssen anders erzählt werden." Ein zweistündiges Programm, das sich in ein bestimmtes Thema vertieft, könnte als Podcast ausgezeichnet funktionieren, als klassisches lineares Radio aber untergehen. Ein erfolgreicher schwedischer Podcast widmet sich etwa wöchentlich politischen Entwicklungen in den USA.

Weniger ist mehr

Bereits jetzt bietet "Sveriges Radio" Podcasts an, in der Zukunft sollen es weniger werden, dafür sollen sie umso besser sein: "In den nächsten Jahren möchten wir zehn sehr gute Podcasts auf dem Markt haben", steckt sich Benkö ihr Ziel fest. Bereits jetzt kooperiert "Sveriges Radio" unter anderem mit Spotify – ohne dort Geld auszugeben, betont Benkö. Denn dort erreiche man das junge Publikum.

Sparen, nur nicht beim Programm

Die neue Strategie zu ermöglichen, sei für die schwedischen Sender nicht nur eine Frage des Geldes. In erster Linie sei es eine Frage der Einstellung. Klar sei, dass dafür weniger Menschen mehr Arbeit haben. Gespart werde überall, nur nicht beim Programm, sagt Benkö. Stattdessen ziehe man lieber in kleinere Gebäude um oder schließe Studios.

Kampf gegen die "GAFAS"

Wichtig sei auch, schwedische Inhalte im Internet zu verteidigen, gegen die Vormacht der "GAFAS", sagt Benkö und meint damit Google, Apple, Facebook und Amazon, die immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zögen. Dafür gehe das öffentlich-rechtliche Radio Kooperationen mit der privaten Medienkonkurrenz ein. So seien etwa vom schwedischen Radio produzierte Inhalte auf privaten Medien-Webseiten zu finden.

Hauptsache, die Inhalte seien im Netz als "Sveriges Radio" erkennbar, betont Benkö: "Es geht darum, das Schwedische Radio ins Bewusstsein der jungen Generation zu bekommen."

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